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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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hatten die Menschen pferdelose Wagen und sogar fliegende Kutschen, die in der Luft fahren konnten. Sie waren unglaublich schnell: In nur drei Stunden brachten sie einen vom einen Ende des Landes ans andere.«
    Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Die Überreste der pferdelosen Wagen hatten wir gesehen. Als verrostete Wracks lagen sie in den Ruinen der Stadt herum, die sie hier Gotham nannten. Aber nie hatte ich einen Hinweis auf so etwas wie eine fliegende Kutsche entdeckt. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, wie sie aussehen sollte. Etwa wie ein Vogel? Es war der gleiche Unsinn wie der, den der Worthüter uns über Oben erzählte, um uns unter Kontrolle zu halten. Aber wenn Edmund so fantasievoll weitererzählte, würde die Geschichte zumindest interessanter werden als Mrs. James’ Version.
    Â» Sie hatten Maschinen, die alle Arbeiten für sie erledigten. Sie lösten ihre Probleme, konnten rechnen und schreiben, und das machte die Menschen faul. Sie waren mit so vielem gesegnet, dass sie es irgendwann nicht länger zu schätzen wussten und immer mehr wollten, mehr und immer noch mehr. Und das wurde ihnen zum Verhängnis.«
    Â» Was ist passiert?« Bleich beugte sich nach vorn.
    Der Gedanke an Maschinen, die rechnen konnten, brachte seine Augen zum Leuchten, auch wenn er den Quatsch bestimmt nicht glaubte. Wie sollte ein solches Gerät aussehen, ohne Kopf zum Rechnen und ohne Hände zum Schreiben? Ich stellte mir einen aus mechanischen Teilen zusammengesetzten Menschen vor und lächelte versonnen. So unglaubwürdig die Geschichte auch sein mochte, so unterhaltsam und interessant war sie.
    Â» Es gab Kriege, viele davon, und sie wurden immer schlimmer. Der Drache kämpfte mit dem Adler, die Hydra mit dem großen Bären. Die Menschen ließen Feuer und Tod vom Himmel regnen, aber selbst das war ihnen noch nicht genug, so grausam waren sie geworden. Sie erschufen immer neue Waffen, Pulver und Gas…«
    Ich horchte auf. » Was ist Gas?«
    Â» Es ist so etwas Ähnliches wie Nebel«, erläuterte Oma Oaks. » Nur dass es nicht aus dem Boden aufstieg, sondern von den Menschen gemacht war. Es war giftig und verbrannte ihre Lungen.«
    Vielleicht war das der Hintergrund, weshalb der Worthüter immer behauptete, der Regen Oben würde uns das Fleisch von den Knochen fressen. Je öfter eine Geschichte weitergegeben wurde, desto mehr wurde sie verfälscht, und so war aus dem Gas schließlich brennendes Wasser geworden. Meine Sippe hatte so lange Unten gelebt, dass wir irgendwann jede Vorstellung von der Welt außerhalb der Tunnel verloren hatten.
    Â» Manche sagen, es hätte sogar noch Schlimmeres angerichtet als das«, fuhr Edmund in finsterem Ton fort. » Die Welt stürzte ins Chaos, und die Stolzseuche bestrafte die Menschheit für ihren Hochmut.«
    Oma Oaks musste die Neugier in unseren Augen gesehen haben, denn sie beantwortete die Frage, noch bevor wir sie stellen konnten: » Die Stolzseuche war eine schreckliche Krankheit, die Jung und Alt gleichermaßen dahinraffte.«
    Bleich und ich sahen einander an. Seine Eltern waren an verseuchtem Wasser gestorben und mit ihnen eine Unzahl anderer. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, dass Stolz etwas damit zu tun gehabt hatte, aber ich wollte nicht dazwischenreden.
    Edmund erzählte immer begeisterter. » Die Menschen flohen in Massen aus den Ruinen. Sie nahmen nur mit, was sie tragen konnten. Die Weisesten und Fähigsten unter ihnen gingen nach Norden, weil sie glaubten, dass die Luft dort sauber und rein war.«
    Genau wie Bleichs Vater erzählt hat .
    Â» Die Maschinen und Götzen, die diese Zerstörung über sie gebracht hatten, ließen sie zurück, und beizeiten brachte der Prophet Matthäus die Menschen hierher. In einer Vision hatte er gesehen, dass sie hier sichere Zuflucht finden würden, eine Stadt, die schon zweimal wiederaufgebaut worden war. Wenn sie sie ein drittes Mal errichteten, würden sie Schutz finden vor den Plagen der Welt, denn drei ist die heilige Zahl, die Zahl der Dreifaltigkeit. Doch würden sie ein Leben führen müssen, wie es früher einmal gewesen war, ein züchtiges Leben, das den Zorn des Himmels nicht erneut entfachte.«
    Ich hatte keine Ahnung, was er damit meinte, und konnte mir auch nicht vorstellen, warum der Himmel sich Gedanken machen sollte, was so weit unten vor sich ging. Trotzdem hatte ich es

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