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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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gelebt?«, fragte Oma Oaks. » Ich möchte keine schmerzhaften Erinnerungen in dir wachrufen, aber, wie alt warst du, als…«
    Â» Als sie starben?«, unterbrach Bleich.
    Sie nickte. » Ja.«
    Ich hörte fasziniert zu. Ich hatte mich nie getraut, so direkt zu fragen, vor allem weil ich Angst davor gehabt hatte, keine Antwort zu bekommen, und als er mir freiwillig davon erzählte, hatte ich ihm nicht geglaubt. Seitdem hatte er nie wieder davon gesprochen, und ich freute mich, die Geschichte nun doch noch zu hören.
    Â» Als meine Mutter starb, war ich ungefähr sechs. Bei meinem Vater acht oder neun.«
    Edmund und Oma Oaks tauschten einen vielsagenden Blick, den ich nicht deuten konnte. » Waren sie… krank, mein Junge?«
    Bleich nickte, sein Gesicht wurde hart, und er starrte auf seinen Teller. Er wollte die Sache nicht vertiefen. Von der Krankheit zu erzählen würde nur all den Schmerz wieder heraufbeschwören, und es gab keinen Grund, Salz in alte Wunden zu streuen.
    Â» Der Braten schmeckt köstlich«, warf ich ein. » So etwas Gutes habe ich noch nie gegessen.«
    Â» Es ist Fasan«, erklärte Oma Oaks. » Die Jäger haben gestern welche geschossen, und wir haben einen davon gekauft.«
    Ich spürte sofort einen Stich. Am liebsten wäre ich dabei gewesen und hätte selbst meinen Beitrag zur Nahrungsversorgung geleistet. Das war es, was ich gelernt hatte, und nicht in einer Schule herumzusitzen. Aber den Streit hatten wir bereits, und ich konnte von Glück reden, dass Draufgänger mich in die Patrouille aufgenommen hatte. Eins nach dem anderen. Ich konnte nicht alle Regeln auf einmal über den Haufen werfen. Außerdem hatte ich in Draufgänger und Oma Oaks zwei Menschen, die, ganz im Gegensatz zu den Ältesten Unten, auch andere Meinungen gelten ließen. Ich würde es überleben. Die anderen Frauen in Erlösung machten das Leben schon kompliziert genug. Seit dem ersten Tag tratschten sie über mich und vielleicht auch über Tegan. War das der Grund, warum sie so verzweifelt versuchte, sich anzupassen und neue Freundinnen zu finden, während ich mich darauf verlegt hatte, an der Seite der Männer zu kämpfen?
    Nachdem wir gegessen hatten, wusch ich die Teller, während die anderen sich im Wohnzimmer unterhielten. Es war eine einfache, stumpfsinnige Tätigkeit, und das warme Seifenwasser beruhigte mich. Der Abwasch war neben dem Nähen meine zweite Hauptaufgabe im Haus, und ich erledigte sie gern. Es war ein geringer Preis dafür, dass ich immer genug zu essen hatte. Da kam mir ein Gedanke: Selbst wenn ich mich weigerte, würde Oma Oaks immer noch für mich kochen. Sie war ein freigebiger Mensch.
    Draußen war es mittlerweile stockfinster. Edmund zündete ein paar Kerzen und Öllampen an. Das Licht war viel angenehmer als das der Fackeln, die ich aus der Enklave kannte, und sie rochen auch besser. Die Luft in Erlösung war überhaupt viel frischer und sauberer, selbst wenn es in der Ödnis jenseits des Tores nach Freaks stank.
    Oma Oaks setzte sich in einen Sessel neben Edmund und überließ mir und Bleich das kleine Sofa. Es schien ihm nichts auszumachen– er nahm sogar meine Hand. Vor nicht einmal zwei Stunden hatte ich ihn vor aller Augen auf die Wange geküsst, also war die Geste nur passend.
    Meine Pflegeeltern lächelten amüsiert über unsere offen zur Schau getragene Zuneigung.
    Â» Ich denke, wir sollten jetzt eine Geschichte hören«, sagte Oma Oaks.
    Edmund schien erfreut. » Nach welcher steht dir denn der Sinn, Mutter?«
    Ich fand es seltsam, dass er sie so ansprach, denn natürlich war sie nicht seine Zeugerin, aber es schien ihr nichts auszumachen.
    Â» Erzähl uns von der Stadtgründung.«
    Ich stöhnte innerlich. Mrs. James hatte schon so oft davon gesprochen, und jedes Mal waren meine Gedanken abgeschweift, lange bevor sie mit ihrem eintönigen Vortrag zum Ende kam. Andererseits wollte ich Edmund nicht verletzen. Ich hatte gerade erst gemerkt, dass auch er mich mochte, wenn auch auf seine eigene, weit weniger offene Art. Immerhin war er zum Tor gekommen, um sich zu versichern, dass mir nichts passiert war. Ich drückte sanft Bleichs Hand, als Zeichen, er solle es über sich ergehen lassen, und sein Lächeln ließ mich alle Einwände gegen eine weitere Geschichtsstunde vergessen.
    Â» Früher einmal«, begann Edmund, »

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