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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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hinter unserem Haus gehen würden, und folgte Bleich durch die Stadt. Aber er lenkte mich in eine andere Richtung, die mir trotzdem mit jedem Schritt bekannter vorkam. Schließlich standen wir vor dem unfertigen Haus, in dem ich mit Pirscher trainiert hatte.
    Â» Sollen wir nach drinnen gehen?«, fragte ich verunsichert, weil ich nicht wusste, ob es Zufall oder Absicht war, dass er mich hierhergebracht hatte.
    Â» Gibt es einen Grund, warum wir es nicht tun sollten?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Bleich kletterte durchs Fenster. » Ich gehe als Erster und mach dir von drinnen die Tür auf.«
    Wenn ich mit Pirscher hierherkam, gingen wir immer beide durchs Fenster, aber das Kleid war nicht geeignet zum Klettern. Ich nickte und stellte mich direkt in den Eingang. In dem blauen Kleid kam ich mir vor wie eine Signalfackel. Mit jeder Sekunde des Wartens beschleunigte sich mein Puls und machte unseren kleinen Ausflug nur umso aufregender. Kurz darauf zog mich Bleich ins kühle Innere des dunklen Hauses. Sofort sah ich Hinweise auf die » Erledigung«, die er zuvor gemacht hatte, und fragte mich, was Edmund wohl dazu sagen würde.
    Die Decke, die er auf unserer Flucht aus den Tunneln mitgenommen hatte, lag auf dem Boden ausgebreitet. Auf jeder Ecke stand ein Kerzenhalter. Stolz zog er das Gerät hervor, das er von seinem Vater geerbt hatte. In den Tunneln hatte er immer daran gedreht und es Funken spucken lassen, wenn er nervös war. Diesmal machte er zusätzlich noch etwas anderes, und es brannte wie ein Docht, mit dem er die Kerzen anzündete.
    Â» Du scheinst dir ziemlich sicher gewesen zu sein, dass wir hierherkommen würden«, merkte ich an.
    Â» Ich hatte so eine vage Ahnung. Außerdem hast du selbst gesagt, wir sollten noch ein bisschen Zeit für uns allein haben.«
    Er hatte alles wunderschön hergerichtet, trotzdem war ich skeptisch. » Wofür brauchen wir die Bettrolle?«
    Â» Zum Sitzen. Es wäre eine Schande, wenn du dir hier drinnen dein Kleid schmutzig machst.«
    Da hatte er recht. Außerdem würde Oma Oaks mir dann unangenehme Fragen stellen. » Und die Kerzen?«
    Â» Ich möchte dein Gesicht sehen können. Vertraust du mir?«
    Ich ließ mich von ihm auf die Decke ziehen. Solange ich mich direkt neben ihn setzte, war sie groß genug für uns beide, und Bleich machte keinerlei Anstalten, mich auch nur eine Handbreit von sich wegzulassen. Ganz im Gegenteil: Er schlang die Arme um mich und zog mich zwischen seine Beine. Sein warmer Atem fuhr durch meine Locken und überzog meine Wangen mit hauchfeinem Nebel. Ich erzitterte.
    Â» Ist dir kalt?«
    Â» Nein.« Ich fühlte mich eher, als hätte ich Fieber. Als er über meine nackten Arme strich, wurden die Schauer noch stärker.
    Â» Ich kann noch gar nicht glauben, dass du tatsächlich mit mir hier bist«, flüsterte er.
    Â» Mit wem sollte ich denn sonst hier sein?«
    Â» Mit ihm. Und das nicht zum ersten Mal.«
    Alle Vorfreude erstarb. Ich saß eine Weile regungslos da und sagte schließlich: » Woher weißt du…«
    Â» Weil ich euch gesehen habe. Es war nicht nur mein freches Mundwerk, das Jensen wütend gemacht hat, Zwei. An manchen Nächten habe ich mich rausgeschlichen, weil ich wissen wollte, was ihr beide hier so treibt. Und warum du nicht mit mir hier bist.«
    Ich war geschockt. Das war also dieser tief sitzende Zweifel, den er mir stets verheimlicht hatte. Seit Monaten fraß er an ihm, und jetzt endlich rückte er damit heraus. Ausgerechnet hier. Wenn ich ihm nicht so absolut vertraut hätte, ich hätte es wahrscheinlich mit der Angst zu tun bekommen. Aber ich hatte nichts zu verbergen.
    Â» Und Jensen hat dich erwischt?«, riet ich.
    Ich spürte eher, wie er ruckartig nickte, als dass ich es sah. » Aber ich hab ihm nichts verraten. Sosehr er es auch versucht hat, nicht ein einziges Wort hat er aus mir rausbekommen.«
    Was er mir da erzählte, tat so weh, dass es mir beinahe das Herz brach. Bleich hatte mein Geheimnis gehütet, damit ich keinen Ärger bekam, und das, obwohl er glaubte, ich würde wer weiß was mit einem Kerl anstellen, den er auf den Tod nicht ausstehen konnte. Seine Loyalität war fast schon beängstigend. Ich beschloss, mich ihrer würdig zu erweisen.
    Â» Ich hätte es verstanden, wenn du es gesagt hättest«, murmelte ich. » Ich kann die Peitschenhiebe ertragen,

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