Die Zuflucht
Gefühl beiseite und trat auf ihn zu.
Edmund räusperte sich. » Bildhübsch, nicht?«
Bleich nickte nur stumm. Sein hungriger Blick trieb mir die Röte auf die Wangen, und als er mit den Fingern die Narben auf meinen Armen berührte, spürte ich seine Wärme wie einen Glutofen. Es war nur mein Arm, den er berührte, und trotzdem schien mir die Geste viel zu gewagt vor den Augen meiner Pflegeeltern.
Oma Oaks plapperte begeistert von irgendetwas, aber ich hörte sie kaum. Wir winkten nur zum Abschied, während Edmund uns in etwas ernsterem Ton verabschiedete, und gingen nach drauÃen in die von fröhlicher Musik erfüllte Nacht.
» Am liebsten würde ich dich entführen und vor allen verstecken«, flüsterte Bleich.
» Warum?«
» Ich habe schon immer gewusst, wie schön du bist, aber gleich wissen es alle anderen auch. Ich werde sie kaum zurückhalten können, und das bringt mich fast um den Verstand.«
Ich lachte. Wahrscheinlich wollte er mir nur die Unsicherheit nehmen wegen des ungewohnten Kleides und meiner Frisur, die mich bei jedem Schritt am Rücken kitzelte. Er lieà seine Hand auf meinem Arm, als fürchtete er, jemand könnte mich ihm stehlen. Funken sprangen zwischen uns hin und her, heller als die Lampions auf der Festwiese.
Kurz bevor wir die Tanzfläche erreichten, zog er mich in den Schatten unter einem Baum. » Ein Kuss noch, bevor ich dich mit den anderen teilen muss.«
Ich wusste kaum, wie mir geschah, denn Zwei, das Mädchen, bestimmte, was ich tat. Die Jägerin schaute beschämt zu. Ich legte den Kopf in den Nacken, und seine Lippen berührten die meinen, sanft wie eine Feder, wieder und wieder. Zuerst war es nur ein Necken, aber als ich es nicht mehr aushielt, nahm ich seinen Kopf zwischen die Hände, und die Küsse sprangen zwischen uns hin und her wie Blitze in eine Gewitterwolke, tiefer und intensiver als je zuvor. Als ich seine Zunge auf meiner spürte, zuckte ich atemlos zurück.
» Wo hast du das gelernt?«
» Du wirst nur wütend, wenn ichâs dir erzähle.«
Ich fluchte leise. Wahrscheinlich hatte er recht. Ich wollte nichts wissen von den Mädchen, die er Unten geküsst hatte. Falls es allerdings in Erlösung noch jemanden gab, würde ich ihr die Haare abschneiden und sie halb tot prügeln müssen. Der Impuls war so stark, dass ich selbst darüber erschrak. Das Mädchen Zwei war kein bisschen weniger gewalttätig als die Jägerin, wie es schien.
Er sah meine Bestürzung und fuhr mit den Fingern durch meine Locken. Als ich seine Fingerspitzen auf meinem Hals fühlte, lief ein Zittern durch meinen Körper. Ich konnte mich nicht wehren, war ihm vollkommen ausgeliefert. Aber es war Bleich, dem ich ausgeliefert war, und er würde mir niemals wehtun.
» All das spielt jetzt keine Rolle mehr«, flüsterte er. » Es gibt nur noch dich.«
Es gefiel mir nicht, dass er Geheimnisse vor mir hatte, aber andererseits mochte er auch nicht, wie Pirscher mich anschaute. Eigentlich konnte ich es ihm nicht verübeln, wenn er schon einmal so für ein Mädchen empfunden und von ihm gelernt hatte, so umwerfend zu küssen.
» Willst du tanzen?«, fragte ich.
Bleich nahm meine Hand und führte mich hinaus auf die hell beleuchtete Wiese, mitten hinein zwischen die anderen Tänzer. Es dauerte nur ein paar Momente, dann hatte ich die Schrittfolge raus. Ich liebte das Gefühl, Bleichs Hände auf meinem Körper zu spüren und wie wir uns im Rhythmus bewegten, uns nur von der Musik führen lieÃen und den Instinkten, die in mir aufwallten. Dennoch vertraute ich diesen neuen Impulsen noch nicht ganz.
Bleich lächelte, als könnte er meinen inneren Widerstreit förmlich sehen. Die Nacht fühlte sich kühl an auf meinen nackten Armen, aber sein Körper wärmte mich.
SchlieÃlich machten wir eine Pause und tranken von den Erfrischungen, die auf den Tischen bereitstanden. Tegan kam zu uns. Sie sah wundervoll aus in ihrem rosafarbenen Kleid. Neben ihr stand ein Junge. Er wirkte älter als sie, aber ich glaubte nicht, ihn schon einmal gesehen zu haben. Höflich stellte Tegan uns einander vor. » Zachariah Bigwater, das sind Zwei und Bleich.«
Er muss Justines Bruder sein.
» Ihr habt nur einen Namen?«, fragte er.
» Mehr brauchen wir nicht«, erwiderte Bleich. Er war nicht gerade unhöflich, aber seine
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