Die Zuflucht
einmal versucht.«
» Was hast du für sie empfunden?«
Ich spürte, wie er die Achseln zuckte. » Ich war einsam. Und manchmal war es⦠schön, von jemandem berührt zu werden.«
» Du hast gesagt, Banner wäre deine einzige Freundin gewesen.«
» Diese Züchterin war keine Freundin. Sie brach gerne die Regeln, weil sie es aufregend fand.«
» Dann warst du für sie⦠eine Herausforderung?«
» Keine Ahnung. Wir haben nicht viel geredet, wenn wir zusammen waren, und wir haben uns nicht häufig getroffen. Nach Banners Tod bekam sie Angst, wir könnten erwischt werden. AuÃerdem hatte ich dich da schon kennengelernt.«
Zum ersten Mal konnte ich nachvollziehen, warum Bleich so eifersüchtig auf Pirscher war, obwohl ich ihm mehr als einmal versichert hatte, dass es keinen Grund dazu gab. Er würde diese Züchterin nie wiedersehen, und dennoch verursachte es mir einen tiefen Schmerz, dass es sie gegeben hatte, dass noch jemand anders wusste, wie Bleich schmeckte, wie er sich anfühlte. Nach allem, was Seide mir in meinem Fiebertraum berichtet hatte, war sie wahrscheinlich tot, aber das änderte nichts an meiner Eifersucht.
Mein plötzliches Schweigen beunruhigte ihn. Er rollte sich auf die Seite und schaute mir ins Gesicht. Im flackernden Kerzenschein sah ich, wie er die dunklen Augenbrauen zusammenzog. » Ich hab gewusst, dass du wütend werden würdest.«
» Das ist es nicht.«
» Was dann?«
» Ich weià es selber nicht.« Das war die Wahrheit. » Es gibt nichts, vor dem ich Angst haben müsste, aber was du mir gerade erzählt hast⦠Mir wird fast schlecht bei der Vorstellung, wie du mit einer anderen zusammen bist.«
» Das kommt daher, weil ich dir gehöre«, sagte er sanft. » Genauso wie du zu mir gehörst.«
Diesmal widersprach ich nicht, denn jetzt wusste ich, was er meinte. Das Band zwischen uns duldete keinen Dritten. Es forderte absolute Hingabe. Und damit meinte er nicht, dass ich ihm gehörte wie ein Ding, wie ich es anfangs verstanden hatte. Es war weit komplizierter, ein Gespinst aus hauchfeinen Abstufungen von Gefühlen. Natürlich konnten wir auch andere Freunde haben, aber ich begriff, weshalb er nur mich und ich nur ihn küssen durfte. Der Verstand war allerdings noch nie meine schärfste Waffe gewesen. Ich würde mich auf meinen Instinkt und mein Gefühl verlassen müssen, damit dieses Band mich nicht vom Weg abbrachte.
Ich schmiegte mich an ihn und betrachtete sein Gesicht. Endlich musste ich keine Angst mehr haben, er könnte plötzlich aufwachen und mich dabei erwischen wie damals in den Tunneln. Die Nacht war kühl, aber nicht kalt, und wir genossen die Wärme, die wir einander spendeten. Ich wusste, es war schon spät, und ich sollte bald nach Hause gehen, aber ich konnte mich einfach nicht losreiÃen.
» Ich wünschte, diese Nacht würde nie enden.«
» Ich auch. Dann⦠bist du also nicht wütend?«
Ich schüttelte den Kopf. » Es ist Unten passiert, bevor wir⦠vor uns . Wenn du gesagt hättest, es gäbe da ein Mädchen in Erlösung, mit dem duâ¦Â«
» Nein. Absolut niemanden. Ich verspreche es dir.«
Eine Weile lagen wir noch da, und er streichelte mein Haar. Der Schlaf versuchte, sich meiner zu bemächtigen, aber ich kämpfte ihn nieder. Dies war für eine lange Zeit die letzte Nacht, in der wir so zusammen sein konnten, und ich war fest entschlossen, sie voll und ganz auszukosten. Auch Bleichs Augenlider wurden allmählich schwer, und er blinzelte mich schläfrig an.
» Was hast du für Erinnerungen an deine Eltern?«, fragte ich, um uns wachzuhalten.
Er überlegte eine Weile, die Finger in meinen Locken vergraben. » Meine Mutter hat das beste Brot der Welt gebacken. Sie hatte eine schöne Stimme und roch nach Blumen⦠ihr Haar war dunkel. Immer wenn sie arbeitete, hat sie gesungen, aber ich kann mich nicht mehr an den Text erinnern.« Er summte eine eindringliche, kleine Melodie, aber ich kannte das Lied nicht. Danach verstummte er, und erst nach ein paar Minuten verstand ich, dass das alles war, was er von seiner Mutter noch wusste.
» Vielleicht kennt jemand in Erlösung das Lied und den Text dazu?«
» Vielleicht.«
Ich legte ihm eine Hand auf die Wange. » Erzähl mir von deinem Zeuger.«
» Wozu?«
» Ich möchte mehr über
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