Die Zukunftsmacher
übergaben Proben ihrer Pflanzenwelt. Doch kein Erdbewohner durfte ihr Schiff betreten. Wissenschaftler, Politiker, Reporter – allen wurde höflich der Zutritt verweigert.
»Unser Schiff ist so einladend wie ein Leichenhaus«, erklärte Co Barr mit ernster Miene. »Viele von uns sind auf dem Flug hierher gestorben. Viele sterben auch jetzt noch, sei es aus Mangel an passender Ernährung, sei es aus Mangel an Sonnenlicht. Viele sind auch durch die lebenslange ›Einkerkerung‹ psychisch krank. Man darf ja nicht vergessen, daß wir für die Dauer von zwei Generationen durch den Weltraum eilten. Weiter können wir nicht fliegen. Alles, was wir von Ihrer Güte erbitten, ist ein Platz, wo wir uns ausruhen und uns von unserem Martyrium erholen können.«
Ein Platz ... Aber wo? Zuerst schien es eine fast unerfüllbare Bitte zu sein. Die Vereinten Nationen debattierten darüber wochenlang. Zum ersten Mal in Jahrhunderten waren sich alle Nationen einig: Man wollte die Roskianer nicht auf irdisches Territorium lassen.
Doch zum Schluß kristallisierten sich zwei Entscheidungen heraus. Die erste war, daß den Roskianern ein Stützpunkt auf der Erde garantiert wurde. Die zweite Entscheidung betraf den Standort dieser Basis.
Um diese beiden Entscheidungen kam man nicht herum. Sogar Tyne – zu der Zeit ein Hinterbänkler – sah sie kommen. In der Einstellung der Menschen gegenüber den Roskianern mischte sich Furcht mit Neid. Es stand fest, daß man unmöglich von den Roskianern verlangen konnte, das Sonnensystem wieder zu verlassen. Ein solcher Schritt würde ihren Widerstand herausfordern. Vielleicht würden sie sogar um das Land, um das sie baten, kämpfen. Was für Waffen sie besaßen, war nicht bekannt. Außerdem spekulierte man, daß die Zusammenarbeit mit den wissenschaftlich überlegenen Roskianern der Menschheit gewisse Vorteile bringen könnte.
Das gewünschte Stück Land sollte in der Äquatorialzone liegen. Sie hatte etwa die gleiche Temperatur wie eine gemäßigte Zone auf Alpha II. Mitten in Afrika wäre es zu unbequem. Eine kleine Insel wäre vielleicht zu abgeschnitten. Die immer mächtiger werdende brasilianische Nation würde keine Roskianer in der Nähe ihrer Grenzen dulden. Nach vielem Gezeter, langen Reden, Protesten und Vetos wurde schließlich ein Gebiet von etwa achtzig Quadratkilometern als roskianische Kolonie südlich von Padang in Sumatra ausgewählt.
»Unser Dank für dieses kleine Geschenk ist unermeßlich«, sagte Ap II Dowl bei einem seiner seltenen persönlichen Besuche.
Die Roskianer landeten mit ihrem riesigen Schiff auf der Erde. Es stellte sich sehr bald heraus, daß sie nicht vorhatten, sie jemals wieder zu verlassen. Sie hatten genug vom Weltraum.
Die Erde wiederum wollte nicht für alle Ewigkeit Gastgeber spielen. Die Roskianer, die sich hinter ihren schnell befestigten Grenzlinien vermehrten, bildeten eine Gefahr, die man nicht ernst genug nehmen konnte. Doch wie konnte man sie vertreiben? Die beste Taktik schien zu sein, die Roskianer langsam aber sicher 'rauszuekeln.
Das Dumme war nur, daß die Wunde um so mehr schmerzte, je mehr man darin stocherte.
Eine Nation nach der anderen schickte ihre Spione nach Sumatra, um herumzuschnüffeln und, wenn möglich, Geheimnisse auszukundschaften. In den großen Sitzungszimmern der Vereinten Nationen diskutierten und argumentierten Menschen mit Roskianern. Sie stellten Bedingungen und gaben nach, blufften und drohten. Die Situation wurde tragikomisch. Die alte Hoffnung, daß man aus dem Kontakt zweier Rassen noch mehr als nur materiellen Profit schlagen könnte, war längst aufgegeben worden.
Menschen wurden nur in diplomatischer Mission auf roskianisches Gebiet gelassen. Roskianer wiederum durften ihre Grenzen nicht überschreiten. In der Praxis gab es jedoch eine Menge Spione, die auf beiden Seiten diese Gesetze übertraten. Padang wurde das reinste Spionagezentrum. Die Situation wurde noch verwickelter, als die Vereinten Nationen in dem Versuch, ihren guten Willen zu beweisen, das kleine Mondgebiet 101 den Besuchern überließen. Dort konnten sie ihre vier interplanetarischen Raumschiffe testen.
»Ihre Geste rührt mein Herz«, erklärte Tawdell Co Barr. »Wir kamen als Fremde, und Sie bewillkommnen uns als Freunde. Menschen und Roskianer werden gemeinsam eine neue und immerwährende Zivilisation schaffen.«
Ob Tawdell es nun ehrlich meinte oder nicht, die Hoffnungen, die er ausdrückte, waren die Hoffnungen der meisten Menschen.
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