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Die Zunge Europas

Die Zunge Europas

Titel: Die Zunge Europas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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etwas Kaltes an den Rücken. Ich drehte mich um.
    «Da bist du ja. Wie geht’s denn?»
    «Och. Ganz gut.»
    Gott sei Dank! Ja wirklich, zum ersten Mal und überhaupt: Gott sei Dank, Gott sei Dank, Gott sei Dank!
    «Komm, das war’s hier, wir gehen noch Schnaps trinken.»
    «Wo denn?»
    «Elbschlosskeller.»
    «War ich noch nie.»
    «Und ins
La Paloma
können wir auch noch kurz, wenn wir schon dabei sind.»
    «Okay, dann lass jetzt aber auch los.»
     
    Die Sauf- und Grölkneipe
La Paloma
, in der ausschließlich deutsche Schlager in zumeist ohrenbetäubender Lautstärke gespielt werden, ist in den frühen Morgenstundenein Sammelbecken aller, die immer noch nicht genug haben, eine brisante Mischung aus Begünstigten und Geschlagenen der Nacht.
    Auf einem der Tische tanzen drei Mädchen und werden dabei lautstark von ihren Kumpels angefeuert:
«Hey, Hey, baby, hu, na, I wanna knoooow, if you be my girl.»
Sie haben sich in Stade auf der Berufsschule kennengelernt und fahren seither regelmäßig zum Feiern nach Hamburg. Die Mädchen sind noch gut beieinander, sie haben den ganzen Wahnsinn einfach nicht an sich rangelassen. Bei ihren Begleitern ist längst die Luft raus, sie trauen sich aber nichts zu sagen, sie wollen den Mädchen nicht die Laune verderben und außerdem irgendwann auch mal was anderes, als immer nur den Chauffeur zu geben. Was sie nicht wissen: Falls es jemals einen richtigen Zeitpunkt gegeben hat, haben sie den verpasst, und nun ist ihr Guter-Kumpel-Status auf Lebenszeit festzementiert, mehr Zement geht gar nicht.
    Der Star der Truppe heißt Karina, eine rustikale Schönheit mit einer bezaubernd natürlichen Ausstrahlung und charmantem Tollpatsch-Einschlag, eine, die es im Alten Land jederzeit zur Kartoffel-, Heide- oder Sauerampferkönigin bringen könnte, wenn sie denn wollte. Einer der Kumpel hat sie vor ein paar Wochen im Freibad heimlich mit dem Handy fotografiert. Irgendwie scheint Karina zu ahnen, dass sie als Wichsvorlage herhalten muss (Frauen spüren so etwas), denn seitdem ist sie ihm gegenüber seltsam reserviert. Sie wohnt wie ihre beiden Freundinnen noch zu Hause. Karina ist ein sog. Papakind. Ihr Vater haut öfter mal auf den Tisch, und wenn er schlechte Launehat, verbietet er ihr den Mund, und ihrer Mutter gleich mit dazu. Die Mutter hat außerdem nicht den blassesten Schimmer, wie viel er verdient. Braucht sie auch nicht, sie bekommt schließlich ausreichend Haushaltsgeld. So einer jedenfalls ist ihr Vater. Karina würde sich von dem Mann an ihrer Seite zur Not gelegentlich auch den Mund verbieten lassen, aber eben von einem Mann und nicht von einem Bubi. Sie wackelt manchmal mit dem Arsch, das muss den Jungs reichen, den Rest können sie sich denken. Ihre Freundinnen sehen auch gut aus, beide mit Topfiguren ausgestattet, aber irgendwie blass, es fehlt ihnen an Ausstrahlung, sie haben mit ihren ins Blöde schwimmenden Augen etwas leicht Totes, ganz gut im Schweigen, umso schlechter im Reden. Es macht ihnen nichts aus, dass die Männer sich fast ausschließlich für Karina interessieren:
    «Wie heißt du denn eigentlich?»
    «Karina.»
    «Ach, Karina, schöner Name. Seid ihr öfter hier?»
    «Nee, zum ersten Mal.»
    «Und, ist das da dein Freund?»
    «Nee, das sind nur unsere Kumpels.»
    «Dann können wir ja noch woanders hingehen.»
    «Ich glaub erst mal nicht, mir gefällt’s hier ganz gut.»
    «Ach so.»
    Die Chancen der Typen sind in etwa die gleichen wie die von Jürgen Degowski bei Silke Bischoff. Karina bleibt immer nett und höflich, trotzdem ist die eisige Wand um sie herum undurchdringlich. An so einer beißt man sich die Zähne aus. Wenn mal jemand zu hartnäckig ist oder garaufdringlich wird, zieht die Gruppe einfach weiter in den nächsten Laden.
    Barfuß im Regen tanzen wir zu zwein
    Und wir tanzen und tanzen und tanzen.
    Süß ist dein Kuss, ein Hauch von Sonnenschein
    Und wir küssen und küssen und küssen.
    Leute gehn vorbei und sie drehn sich alle um
    Und wir singen und singen und singen.
    Barfuß im Regen, glücklich wie noch nie
    Und wir tanzen und tanzen und tanzen.
    Janne hatte schon wieder Bier organisiert. Bier, immer nur Bier, als ob es auf der Welt kein anderes Getränk gäbe. Sie hatte doch was von Schnaps gesagt. Warum konnten wir uns das Intermezzo nicht schenken und die verbliebenen Kräfte für den
Elbschlosskeller
aufsparen? Am besten natürlich gar nichts mehr. Wie gerne hätte ich allein nur wegen eines anderen Mundgeschmacks einen schönen

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