Die Zwei Schwerter, Band 1: Der Ansturm der Orks (German Edition)
gab.
„Ihr wollt mir damit sagen, dass Ihr Aidan aufgetragen habt, Arnhelm und seine Begleiter zu hintergehen? Das kann nicht Euer Ernst sein, Vater!“
„Die Orks werden Pír Cirven niemals erobern können, dazu sind sie trotz ihrer erheblichen Zahl zu wenige und führen nicht die nötigen Belagerungsgeräte und Proviant mit sich. Darum müsste ihr Anführer, dieser Schwarze Gebieter, verrückt sein und jeglichen militärischen Scharfsinns entbehren, wenn er unserem Reich dennoch den Krieg erklärt. Gleichwohl wissen wir nicht um die weiteren Pläne dieser Kreaturen, und, wie wir nun so anschaulich gesehen haben, sind diese sehr wohl stark genug, um immerhin die Tôl Womin zu bedrohen und mit ihrer unmenschlichen Grausamkeit den ganzen Süden unseres Landes in Glut und Asche zu tauchen, wenn ihnen das Schicksal hold ist. Dies aber kann ich nicht zulassen, denn unser Volk erwartet Schutz von mir und meiner Familie, weshalb ich auch nicht darin einwilligen kann, diese Verantwortung anderen zu überlassen, schon gar nicht irgendwelchen Fremden, die sich mit Lermuria überworfen haben und mehr nach Ruhm und Macht streben als nach allem anderen. Ich weiß, dass du mich verstehst, mein Kind.“
Seine beherzte Rede hatte Kheron offensichtlich vollständig erschöpft, denn ausgelaugt und deutlich kleiner werdend sank er in seinen Stuhl hinab. Bewusst hatte er seine Gedankengänge in eine militärische und politische Logik gekleidet, denn er wusste, dass seine Tochter nicht viel von solcherlei Dingen verstand und ihm folglich auch nur schwerlich widersprechen konnte. Auf jeden Fall wirkte er zufrieden, denn er hatte sein Herz erleichtert und sein Wissen um die geheime Weisung, welche er seinem Sohn vor dessen Aufbruch aufgetragen hatte, endlich mit jemandem geteilt.
„Wenn Aidan oder Arnhelm durch Eure Schuld etwas geschehen sollte, dann müsst Ihr mit Eurem Gewissen leben, mein Vater, Herr König! Die schlimmen Folgen und den Schmerz darüber aber werden wir alle mit Euch zu erleiden haben!“, erwiderte Merian schließlich und wandte sich ab.
Der König Lemurias begann wieder, teilnahmslos zum Boden hin zu schauen, und beobachtete nicht, wie seine so wunderschöne Tochter eilig das Gemach verließ. Die silberne Spange in ihrem langen, glatt gekämmten Haar verströmte dabei ein auffälliges Glitzern, denn diese fing den herabfallenden Schein des Lüsters auf und spiegelte ihn viele Richtungen wider. Als ihr schlanker, ebenmäßiger Körper danach durch die Tür auf den sich anschließenden Gang entschwand, schien dem Raum jeglicher Glanz genommen.
Kheron blieb allein zurück, starr und matt, wie eine alte Ameisenkönigin, die einzig noch dazu fähig ist, bewegungslos über das Innere ihres Hügels zu wachen und geduldig auf Nachrichten ihrer treuen Soldatenschar oder aber ihr nicht mehr fernes Ende zu warten. Er zweifelte nicht daran, dass die Orks schon sehr bald sein Reich attackieren würden, doch würde ihnen sein Oberkommandierender Beregil eine Armee entgegenstellen, die sie an der Großen Mauer zu einer glorreichen Schlacht erwarten würde. Dann endlich würde er, ebenso wie einige seiner ruhmreichen Vorgänger, die Gelegenheit erhalten, zu seinen Lebzeiten ein großes Werk zu verrichten, auf dass man dieses in späteren Zeiten besingen würde.
Aus Kheron dem Strengen sollte Kheron der Standhafte werden.
Er würde, wenn alle seine jetzigen Mitmenschen längst vergessen waren, in Erinnerung bleiben als derjenige Herrscher, der die zivilisierten Menschen Arthiliens vor Vernichtung und Sklaverei bewahrte und deren Reiche nach Überwindung der schrecklichen Gefahr endlich wieder unter einer einzigen Krone vereinte. Und jene sollte irgendwann als Schmuck dienen für das Haupt von Aidan, seinem auserkorenen Erben und Nachfolger, seinem geliebten und einzigen Sohn.
*
Niemand konnte sagen, dass die Verwüstung, welche die Angehörigen der Horde in Rhodrim angerichtet hatten, gering gewesen war. Dies konnte man ausgesprochen gut auf ihrem Rückmarsch von der geschleiften Metropole Arth Mila in den Südwesten des Landes betrachten. Dabei nämlich kamen sie an jenen zahlreichen kleineren Siedlungen, Dörfern und Gehöften vorüber, die sie einige Tage zuvor zumeist verlassen aufgefunden und anschließend mit großer Genugtuung niedergebrannt hatten.
Bemerkenswert war, dass sie trotz ihrer beeindruckenden Siege nicht ein einziges Beutestück mit sich führten, was für jede andere Rasse ein untrügliches Zeichen
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