Die Zwei Schwerter, Band 1: Der Ansturm der Orks (German Edition)
Golein entstand ehedem nicht als Bastion, sondern als weltoffene Stadt, geprägt von der Vielfalt verschiedenster Einflüsse. Zwerge boten ihre mühevoll gefertigten Waren an diesem Ort ebenso feil wie die Banditen der Piratenküste ihre geraubten Güter. Gesuchte Verbrecher suchten hier Unterschlupf und übernachteten nicht weit entfernt von Reisenden und Geschäftsleuten aus den vermögenden Gebietschaften Lemurias und Engat Lums. Mauern und Tore erfüllten vor allem denjenigen Zweck, in dem Fall, dass innerhalb der Stadtgrenzen eine schlimme Tat geschehen war und die stets in großer Zahl anwesenden Soldaten eine Ausgangssperre verhängten,die Täter an einer Flucht zu hindern. Im Normalfall war eine Fahndung nach Tatverdächtigen von Diebstahl, Erpressung oder schlimmeren Vergehen jedoch ohne große Aussicht auf Erfolg, da im labyrinthartigen Innenleben der Siedlung schier unendliche Versteckmöglichkeiten gegeben waren und die zahlreichen gewieften Gauner für gewöhnlich zusammenhielten. Dies veranlasste die Vertreter der Obrigkeit wiederum dazu, in vielerlei Hinsicht ihrerseits mit einflussreichen Angehörigen der Unterwelt zu paktieren.
Die Ostpassage schickte sich einige hundert Schritt vor dem Osttor Luth Goleins, sich zu teilen an. Von jener Gabelung aus führte ein Weg geradewegs zum Einlass zur Stadt hin, während der andere in nördliche Richtung entwich und man über ihn in das Herzland Rhodrims gelangen konnte. Auf Arnhelms Geheiß hin zügelten die Gefährten ihre Reittiere, als sie jene Stelle erreichten. Keine andere Person, weder zu Fuß noch zu Pferd oder auf einem Karren, war von hier aus zu sehen zu dieser Stunde, soweit das Auge reichte. Und selbst in der Stadt schien eine merkwürdige Ruhe zu herrschen, obgleich deren übliches Getöse als beständiger Hintergrundlärm in der Luft hing.
„Seht, da drüben!“, rief Marcius plötzlich und zeigte nach Nordwesten.
Nun erkannten auch die anderen, dass sich ein einsamer Reiter mit hoher Geschwindigkeit über die Straße in ihre Richtung bewegte. Anfangs war er nicht mehr als lediglich ein undeutlicher Schatten, doch wurden seine Formen und Farben bald klarer, sodass Ulven schließlich freudig und erstaunt zugleich feststellte, dass es sich bei dem Nahenden zweifellos um einen rhodrimischen Soldaten handelte.
„Aldu persönlich muss Euch schicken, Herr, denn Ihr kommt in unserer wahrlich verzweifeltsten Stunde!“, rief der Mann in Arnhelms Richtung aus, kurz ehe er die Abzweigung erreichte und sein vom vollen Galopp schnaubendes Pferd anhielt. „Ich bin Rigon aus der Einheit Herengards und grüße Euch alle hiermit! Großes Unglück ist über uns gekommen während Eurer Abwesenheit, denn die Orks sind über den Silberstrom gekommen und haben bei Arth Mila unser Heer vernichtet und die meisten tapferen Männer unseres Landes erschlagen! Der Heeresmeister Ulmer führt die wenigen an, die überlebten, und er sandte mich aus, Euch zu unserem Feldlager zu bringen, als unsere Späher Euch endlich wiederkehren sahen!“
Der Reiter sprach mit einer so hektischen und vor Aufregung zitternden Stimme, dass nicht alle der Anwesenden seinen Ausführungen gänzlich folgen konnten. Gleichwohl hatte jeder die bittere Nachricht vernommen, dass viele Rhodrim im Kampf gegen die Orks ihr Leben gelassen hatten. Arnhelm kniff die Lippen zusammen, verbittert darüber, dass er ausgerechnet in jener schlimmen Stunde fern von seiner Heimat gewesen war.
„Führ uns zu Ulmer!“, entgegnete der Fürstensohn schließlich. „Rasch, denn vielleicht ist noch nicht alles verloren!“
Der Soldat nickte erleichtert und wendete sein Ross, woraufhin er über die Straße, die er gekommen war, von neuem losbrauste.
Es war nicht zu übersehen, dass Ulmer seinen schnellsten Reiter geschickt hatte. Dessen schönes Reittier war ein Fuchs, dessen rotes Fell glänzte, so als spiegele sich die Röte eines jungen Morgens darauf. In seinen Sattel geduckt, brauste Rigon über den schotterigen, von Gräsern und Gestrüpp gerahmten Untergrund wie ein kühler Meereswind über das Wasser. Einzig Arnhelms edles Pferd Windspiel, das prächtigste ganz Rhodrims, welches er von dessen ersten Tag als Fohlen an kannte und zu seinem treuen Freund und Begleiter gemacht hatte, vermochte leicht Schritt zu halten, während sich die anderen arg mühen mussten, um nicht zurückzufallen. Insbesondere galt dies für die beiden Reittiere, von denen das eine Kogan und das andere Ulven und Dwari zu tragen
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