Die Zwei Schwerter, Band 1: Der Ansturm der Orks (German Edition)
losreiten und zeitig in der Hauptstadt eintreffen konnten. Sie waren zwar hungrig und müde von dem langen Tag zu Pferde, sodass sie in eine gute Herberge einkehrten und sich reichlich stärkten. Gleichzeitig mussten sie allerdings feststellen, dass sich ihr Tatendrang noch nicht gelegt hatte und sie überhaupt keine Lust verspürten, sich schon in ihre Betten zurückzuziehen. Wenn man sich schon einmal in einem anderen Land befand, dann durfte man nicht säumen, sich davon auch möglichst viel anzusehen, meinten die Rhodrim und Dwari übereinstimmend.
So schlenderten sie am späten Nachmittag durch die Gassen und über die größeren, vielbelebten Straßen und Plätzen hinweg und bewunderten die Ordnung und Sauberkeit der Metropole. Trotz der Menschenmassen, die hier eilig verkehrten und ihren jeweiligen Geschäften nachgingen, hatte sich Fallura seinen Ruf als eine der schönsten und natürlichsten Städte der Menschen erhalten und wurde, wie man sehen konnte, dem auch gerecht.
Die Rhodrim, die Lemurier und der Zwerg hatten zunächst kein bestimmtes Ziel und fanden auch nichts, was ihr gesteigertes Interesse erweckte. Dann aber kamen sie an einem Platz am Rande des Stadtkerns vorüber, der sich wegen seiner etwas abgelegenen Lage ruhiger gab. Scharen von Menschen drängen sich dort vor einer großen Bühne, die aus einer Plattform und einem darüber gezimmerten hölzernen Aufbau bestand. Ein Vorhang aus einem schweren, weinroten Tuch war an den Seiten der vorderen Öffnung angebracht und trug dafür Sorge, dass man die Bühne jederzeit vor den Blicken der Zuschauer verbergen konnte.
„Dein Herz vermag sich nicht auszumalen, wie sehr du des Dolches Klinge in meine Wunden steckst, oh du mein Kind! Darum ersuche ich dich ein letztes Mal mit all der Liebe, die einem alternden Vater zu Gebote steht, Abstand zu nehmen von deinen Untugenden, ehe ein schlimmes Ende sich für dich als unausweichlich ergeben wird! Erhöre mein Flehen, oder deine Jugend wird zugleich dein Verhängnis sein!“, rezitierte ein ältere Schauspieler, der in eine edel aussehende, überwiegend weiße Tracht gewandet war und eine nachgemachte Krone auf der Stirn trug. Dabei ruderte er theatralisch mit den Armen, fasste sich an die eigene Brust, um seine Gefühlwallungen zu betonen, und warf sich vor seiner Partnerin schließlich auf die Knie.
„Es ist zu spät, mein Herr Vater und König, ein Mensch vermag seine Haut nicht zu verlassen, und ich bin nun einmal, wie ich geschaffen ward! Lasterhaft heißt man mich und der Sünde nicht abgeneigt, doch wo war die Sünde in der Lemurier’ Gebaren, ehe du es warst, der sie in den Gesetzen der Menschen niederschrieb? Gleichwie – es ist zu spät für mich, mich von der Sünderin zur Büßerin zu wandeln! Der mir viel zu alte Mann, mit dem man mich vermählte einst, vermag meines Fleisches Gelüste nicht zu stillen, und so will ich den Jüngeren wiedersehen, nach dem der Sinn mir gegenwärtig steht! Und wenn man darob wider mein zu Gerichte ziehen will, dann werde ich mich nicht entziehen und das Urteil nehmen, so wie es einer von adligem Blute sich geziemt!“
„Was soll der Unfug? Sind die alle nicht ganz richtig im Kopf?“, fragte Dwari seinen Freund Braccas Rotbart leise.
„Das ist ein Theaterstück, ein Drama, mein Freund“, gab der ältere Mann mit dem imposanten roten Bart lächelnd zurück. „Der Schauspieler in Weiß spielt Augur, den König Lemurias, unter dem das Land zu seiner größten Blüte gedieh. Zu seinem Unglück führte er zur damaligen Zeit außerdem sehr strenge Moralvorschriften und Gesetze ein, gegen die ausgerechnet seine geliebte Tochter Varelia verstieß. Dummerweise musste er darum seine eigene Tochter hinrichten lassen, was bei ihm zu einer völligen geistigen Umnachtung führte und letztlich das ganze Land ins Chaos stürzte. Augur der Unglückliche, so nennt man den Guten deshalb.“
„Aha. Klingt für mich wie die reinste Zeitverschwendung. Aber wenn Ihr Menschen meint ...“
Auf der Bühne ging die Handlung unterdessen forsch weiter. Zwei in blaue Rüstungen gewandete Männer sprangen aus einer Nische, die von dem rechten Vorhang verborgen wurde, hervor und griffen die Schauspielerin der Varelia grob am Arm. Zugleich kam ein weiterer Mann in einer schwarzen Robe mit einer Perücke und einer einem sonderbaren, eckigen Käppi auf die Bühne und sollte wohl einen Richter darstellen. „Es ist bewiesen, was bewiesen werden musste, und der Wahrheit Angesicht kann
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