Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)
Land ausbreitete, stieg Nebel aus verstreut liegenden tiefen Mulden empor und trieb den Marschierenden in diesigen Schwaden entgegen. Die Sicht wurde mithin zusehends vager, und bald verhüllte zusätzlich die Dämmerung die Füße der Krieger und kroch an ihren Leibern empor. Ein unheimliches Gefühl machte sich unter ihnen breit, so als ob dem Nebel etwas Bösartiges anhafte und er ein Spiel mit undurchschaubaren Absichten mit ihnen trieb. Erinnerung erwachten sogleich in Braccas und Dwari an das dunkle Gebilde, das ihnen bei ihrer Reise nach Zwergenauen so übel mitgespielt hatte.
Die Abendsonne zeigte gerade ihr rötlich schimmerndes Glutbett, als die Zwerge und der Mensch über den tief eingeschnittenen Weg endlich bis an die Furt der Sturzflut gelangten. Die spiegelnde Oberfläche des Flusses war mit wattigen Dunstschwaden verhangen, dafür aber war er ruhig an dieser Stelle, was alle erleichterte, da sie den ganzen Tag über befürchtet hatten, das irgendein mächtiger Feind das Gewässer sich wider sie aufbäumen ließ.
Als sie sich umblickten, erschraken manche von ihnen dennoch für einen Augenblick, denn sie sahen den gewaltigen, länglichen Findling, der seit ewigen Zeiten den Übergang wie ein Wächter bewehrte, und hielten ihn für einen hungrigen Bären oder ein noch schlimmeres Ungetüm. Zudem erschien der dahinter aufragende, riesenhafte Mammutbaum wie eine leibhaftige Gestalt, die einst mit den Engeln das Angesicht Mundas betreten hatte und an Macht nicht geringer war. Die größtenteils kahl gewordenen Äste des turmhohen Baumes schwankten im Wind und wirkten, vom Nebel umspielt, wie die eiskalten Pranken eines gespenstischen Wesens, von dem in alten Mythen und Kindermärchen die Rede war und welches allein mit dem Tod in Verbindung gebracht werden konnte.
Die Angehörigen des Volkes der Kirin Dor schauderten kurzzeitig, ehe Bragi Stahlhammer ihnen zu folgen gebot. Von Braccas und Dwari flankiert, führte der König seine Gefolgsleute sicher über die seichte, mit glitschigen Steinen gepflasterte Furt. Anschließend erklommen sie die westlich des Stromes sich erhebende Hügelkuppe und sahen, dass hinter ihnen, weit im Osten, das Abendlicht blass auf verschwommenen Ebenen lag, während sich vor ihnen eine stark bewachsene, von der Dämmerung umschlungene Wildnis erstreckte. So entschieden sie sich, an diesem Platz bis zum Morgen zu verweilen, und sie entzündeten ein Feuer unter den knorrigen Wurzeln einer alten Erle, die schräg über einer flachen Grube wuchs. Die Nacht erwies sich als ungemütlich auf dem hohen Grat, der Wind pfiff kalt über sie hinweg und zerrte an ihren Haaren und Decken, während sie die Baumwipfel weiter unten stöhnen und seufzen vernahmen.
Als die meisten der Zwerge längst erwacht waren, war das Licht des Tages noch nicht über die fernen, von Dunkelheit verhüllten Berge des Milmondo Aurons hervorgekommen. Noch immer lagerte Dunst über den nahen Tälern und dem Flusslauf und weckte die Furcht in ihnen, dass sie den ganzen Tag in jenem Zwielicht marschieren und sich unter schwierigen Bedingungen in dem pfadlosen Land zurechtfinden mussten.
Dann endlich stieg die Sonne im Osten aus dem Nebel empor und zerklüftete dessen Schleier, während der Nebel seinerseits die matten Lichtstrahlen in Scheiben schnitt. Schließlich obsiegte das Taggestirn und flutete zumindest den nächsten Teil ihres Weges nach Westen mit einer klaren Helligkeit, was unter den Soldaten gleichwohl weniger zu einem Glücksgefühl als vielmehr zu einer mäßigen Erleichterung führte.
Das Gebiet, welches die südliche Furt über den Filidël vom südöstlichen Zipfel der Ostpassage trennte, war überflutet von einem welligen Meer von Wiesen, Hecken und Gestrüpp. Viele Tage wanderten die Streiter Gâlad-Kalûms, von Braccas Rotbart sicher geführt, auf diese Weise durch die unwegsame Einsamkeit, die einzig gestört wurde von kleinen Tieren, wie Hasen, Füchsen, Springmäusen und den Angehörigen vieler Vogelarten. Zahlreiche Schneisen mussten sie sich in das hohe Gras, über das sie aufgrund ihres minderen Wuchses die meiste Zeit über nicht hinwegsehen konnten, eigenhändig schlagen, und allzu oft waren sie gezwungen, in Brackwasserpfützen oder über einen Teppich aus wuchernden, unbeugsamen Dornenkränzen zu gehen. Immer wieder stieß der Wind seinen rasselnden Atem aus, so als wollte er die Wandernden auf sich aufmerksam machen, doch mochte dies ebenso gut der Einbildung und der regen Fantasie
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