Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)
Gefährten jedoch hatten vorsichtig sein müssen und deshalb im Zweifel längere und abseits gelegene Routen und Pfade in Kauf genommen hatten, so gab es für das starke Heer keinen Grund, sich in Furcht zu hegen und sich vor möglichen feindseligen Blicken zu verbergen. Auch zeigte sich die dunkle Wolke, welche den beiden aus Rhodrim Geflüchteten die Sicht genommen und sie auf Irrwege geführt hatte, nicht wieder, sodass es nicht schwerfiel, die gewünschte Richtung einzuhalten.
Am dritten Tag gelangten sie an einen sehr schönen See, der lang und ovalförmig war und von einem dichten Wald beschattet wurde. Die Tannen seufzten und schwankten im Wind und ließen nur soviel an Licht durch ihr Zweigwerk, dass die gekräuselte Wasseroberfläche scheckig erschien und nur an ausgewählten Stellen intensiv glitzerte. Das nordwestliche Ende des Sees hingegen stieß wie eine große Lanzenspitze in das angrenzende freie Feld hinein und leuchtete unter dem sonnengefluteten Himmel tiefblau wie ein Abendhimmel, den man von einer von vielen Laternen beleuchteten Terrasse oder einem erhellten Zimmer aus betrachtet.
Bald westlich jenes Platzes stieg das Gelände allmählich an und führte den ohne jedes Murren und Zetern marschierenden Tross eine Anhöhe empor. Von dort aus vermochten die Zwerge und der Mensch, über ihre linken Schultern schauend, Rûm-Hawad, das weitläufige und viele Gefahren bergende Schwemmland zu erkennen. Ein weitaus mulmigeres Gefühl beschlich die Angehörigen des Volkes der Kirin Dor allerdings bei der unübersehbaren, von schwarzen Zacken gekrönten Erhebung, die sich jenseits der Marschen erhob, denn diese war Kull-Falûm, der Hort der Drachen, von denen den Bewohnern Zwergenauens in früheren Tagen viel Leid widerfahren war.
Dann brach der Abend als Vorbote einer weiteren Nacht herein, und mit ihm kam eine Wolkenbank, welche den Himmel verdeckte und das Dämmerlicht eintrübte. Auch der Mond, der beizeiten herauskam, wurde durch das große, dahinziehende Gebilde verdunkelt. Dann aber trat er ganz plötzlich wieder klarer hervor und spendete der Zwergenschar genügend Licht, um in seinem Schein an den Hängen einiger minderer Hügel ihr Lager aufzuschlagen.
„Wir haben bislang ein gutes Stück Weg hinter uns gebracht, doch ist mir trotzdem unwohl zumute“, sagte Braccas Rotbart am Lagerfeuer zu Dwari. „Der Winter ist nicht mehr fern, und wir wissen nicht, was genau der Feind vorhat, alldieweil er unser Kommen durch seine Späher und Spione sicherlich schon längst erfahren hat. Wenn wir nur allesamt zu Pferd wären und reiten könnten, wie es uns gefällt, dann wäre wenigstens der Wind unser Verbündeter!“
„Ich zweifle daran, dass du viele Zwerge finden würdest, die wie ich immerhin dazu bereit sind, sich mit einem erfahrenen Reiter gemeinsam auf eine dieser Langnasen zu begeben. Und was den Winter angeht: Wir Zwerge fürchten ihn nicht, und unsere Beine sind stark genug, um die alte Festung Bergfried zu erreichen noch lange bevor die Sonnwende eintritt. Kein Grund also sich zu grämen, mein Bester!“, sprach Dwari, nahm sich noch einen Apfel vor dem Schlafengehen und biss herzhaft hinein. Der Vetter Bragis, der mittlerweile weit gereist war, schien die Anspannung, die unter seinen Begleitern herrschte, derzeit nur bedingt zu teilen und sich vergleichsweise entspannt zu fühlen.
Der nicht sehr breite Pfad, der das Heer Zwergenauens mehrere Tage später dem Filidël immer näher brachte, war gesäumt von Ginster und Heidekraut, die zwischen geborstenen Steinen und größeren Büschen wuchsen. Der Weg war tief eingeschnitten und durchschnitt eine Fläche, die einigen Fels sowie einzelne Haine mit hohen Bäumen aufwies. Etwa fünf Meilen trennten ihn mittlerweile vom Stromband des gewaltigen Barno, der weiter südlich beinahe parallel in tiefen Schluchten oder aber eingerahmt von störrischen Dickichten aus Schilf und Binsen dahinzog. Nachdem der Fluss für eine Zeitlang beeindruckende Mäander beschrieben hatte, verlief er nun wieder weitgehend geradewegs nach Westen. Ansonsten waren noch einige weitere polierte Flüsse und Seen zu erblicken, während das goldene Licht des Herbstes, welches auf allen Gewächsen in der Umgebung schimmerte, von Tag zu Tag mehr zum matten Silber des Winters zerstob. Allerorten fielen die letzten Blätter auf die kalte Erde nieder und ließen nackte Bäume zurück.
Am späten Nachmittag, als die Sonne zu sinken begann und sich ein fahleres Licht über dem
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