Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)
sie auf diese Weise fernab des Weges erschauten. Innerlich ahnten selbst die jüngeren von ihnen, dass jenes angeblich so wunderbare Gebiet die Leuchthaine waren, der einstige Wohnsitz der Lindar und deren Hoher Herrin, die längst nicht mehr war. Wie allen bekannt war, hatte eben dort die bittere Schlacht zwischen dem größten Zwergenheer seit Gedenken und den Elben stattgefunden, welche mit dem Tod Borgins des Großen und dem vollständigen Rückzug der Zwerge aus dem Westen Arthiliens endete. Auch die Friede, die bedeutsame Festung, die man heuer unter dem Namen Dirath Lum kannte, hatte man in der damaligen Trauer und Enttäuschung aufgegeben.
Schweigend senkten die meisten der Krieger ihre Köpfe und gingen mit schweren Schritten weiter, so als ob der Gram über jene lange zurückliegenden Ereignisse noch immer in ihre Gedanken eingebrannt wäre und zu gewissen Zeiten wie mahlende Mühlsteine an ihren Herzen nagte.
Drei weitere Tage und Nächte vergingen, in denen die letzten Kräfte des Herbstes verrannen und er nicht länger vermochte, den Winter weiterhin in Schach zu halten. In der vierten Nacht dann fiel erstmals Schnee, weiß und weich in seiner Beschaffenheit, zur Erde nieder, doch hielt der Niederschlag nicht lange an und hinterließ nur wenige Spuren, die bis zum Morgen überdauerten.
Als Braccas Rotbart, der berüchtigte rhodrimische Abenteurer und Offizier, die Soldaten des zwergischen Heeres endlich über die Grenze seines Landes führte, hatte sich der klare Morgenhimmel, der sie geweckt hatte, bezogen. Der Mittag kam düster und windig, und erst die Stunden des Nachmittags brachten Sonnenstrahlen mit sich, die durch die Spalten und Risse in den dahineilenden Wolken brachen.
Als die Sonne schon weit über das Wächtergebirge hinweg dem Onda Marën entgegengezogen war, hatten sie Luth Golein hinter sich gelassen, ohne die zwielichte Metropole eines näheren Blickes gewürdigt zu haben. Braccas und Dwari entsannen sich der jüngsten Zeit, die sie dort verbracht hatten, verständlicherweise mit gemischten Gefühlen. Gleichwohl dachten sie bei dieser Gelegenheit vor allen Dingen an ihre Freunde Ulven und Marcius, die sie in jener Stadt im Unterschlupf des Gaunerkönigs Jabbath und anschließend an einer benachbarten Straßenecke das letzte Mal gesehen hatten und die in Begleitung von Elben nach Orgard aufgebrochen waren. Wie mochte es ihnen in der Zwischenzeit wohl ergangen sein?
Der zweitausend Köpfe zählende Tross zog nach Nordwesten weiter, und bald hielten sie auf ein flaches Land zu, das weit und baumlos war und den Beginn der Ostmark markierte. Wie sehr hatte sich der Mensch auf den Anblick und den Geruch seiner Heimat gefreut, doch selbst in jener Gegend, wo das Herz Rhodrims bekanntlich am lautesten schlug, herrschten lediglich Stille, Leere und eine klamme Kälte vor, die offensichtlich mehr und schlimmere Dinge barg als nur die Zeichen des Wintereinbruchs. Weder Pferde waren auf den endlosen, offenen Weiden zuerschauen noch brave Bauern, Handwerker und Reisende, die man unter gewöhnlichen Umständen zu jeder Zeit des Jahres hier hätte sehen müssen. Man konnte nicht umhin, zu spüren, wie alles in der einstmals so prächtigen und friedfertig erblühenden Umgebung in einem langsamen Siechtum zerfiel. Ein großes Übel hatte sich wie ein Krankheitsgeschwür ausgebreitet im Fürstentum, und Braccas fluchte darüber vor sich hin und schwor sich, der Wurzel jenes Unheils gegenüberzutreten und diese mit seinem Schwert zu spalten, sollte ihm Aldu die nötigen Kräften dafür verleihen.
Die Sonne, die jetzt zu sinken begann, sandte scharf umrissene, rötlich-gelbe Strahlen über den Horizont und bewirkte, dass die Wolken erstmals an diesem Tag aufrissen. Nichtsdestotrotz fielen die Schatten des Abends eine Weile später wie ein Vorhang und betteten das grüne Land in Dunkelheit. Der aufgeklarte Himmel war bald von blinkenden Sternen übersät und ließ die Marschierenden die Nacht wie unter einem von Laternen erhellten Baldachin verbringen.
Am Morgen blieb es lange dunkel, und es war wieder sehr kalt geworden. Alle zogen ihre dicksten Kleider unter ihr Rüstzeug und dankten dem Einen dafür, dass er sie so großzügig mit wärmenden Bärten gesegnet hatte.
Die Zwerge und ihr menschlicher Führer waren in ihrer gestrengen Marschordnung kaum zwei Meilen in westliche Richtung geschritten, als sie plötzlich ein Gebilde vor sich sahen, das ihnen an Größe in etwa entsprach. Als sie noch
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