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Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)

Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)

Titel: Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger de Grandpair
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entkräftet und von dem langen, untätigen Verweilen in dem unterirdischen Zwielicht in seiner Wahrnehmungsfähigkeit eingeschränkt. Dennoch verkannte er in den Zügen der schönen Frau, die ihm nahte, für keine Sekunde, dass die Liebe gegenüber dem Sohn in der Mutter die Oberhand gewonnen hatte und sie ein höchst riskantes Spiel trieb, das entweder ihm die Freiheit erbringen oder aber beiden von ihnen das Leben kosten konnte. So blieb er zunächst sitzen auf dem Heu, das in einer Ecke seiner kargen Bleibe aufgeschichtet war, schwieg still einstweilen, um seinerseits keinen Verdacht zu erwecken, und ließ zur gleichen Zeit ein möglichst hohes Maß an Aufmerksamkeit walten.
    „Deine Freunde sind am Sterben vor unseren Toren, und ihr törichter Versuch, die neuen Machthaber über Rhodrim zu stürzen, ist gescheitert! Für dich gibt es somit keine andere Wahl, als unserer Seite beizutreten und dem Schwarzen Gebieter die ewige Treue zu schwören, oder aber ebenfalls den Weg jener anderen Narren zu beschreiten und ihnen in den Tod zu folgen! Hast du verstanden, was ich dir künde, Arnhelm, Spross einer ausgestorbenen Dynastie, oder hat die Zeit des einsamen Nachdenkens als Strafe für deine Unvernunft dein Denken allzu sehr verlangsamt?“
    Imalra sprach jene letzten Worte mit einer überdeutlich vernehmbaren Stimme, wobei sie sich scheinbar zufällig auf den Fürstensohn zubewegte und sich nach unten beugte, wie um in den Zügen seines Gesichtes besser lesen zu können. Tatsächlich aber nahm sie aus ihrem weiten Gewand einen länglichen Gegenstand hervor und reichte ihn rasch und ein wenig hektisch vor Eile nach vorne, sodass der Gefangene ihn mit einer einfachen, unauffälligen Bewegung erreichen konnte. „Nimm dies, und versuche dein Glück und dein Geschick, mein geliebter Sohn“, murmelte sie zugleich. „Unsere Zeit läuft ab, und es wird keine bessere oder eine spätere Gelegenheit geben, wenn du das Sterben deiner Freunde aufhalten oder wenigstens dein eigenes Leben retten willst, das für unser Land so kostbar ist!“
    In Arnhelm entfalteten sich Überraschung und Freude über das Wohlwollen und die gute und tapfere Tat seiner Mutter, so wie ein kräftiger Sonnenstrahl, der unversehens durch einen Schwarm winterlich-dunkler Wolken bricht. Er veränderte seine Sitzhaltung kaum, um den Anschein seines Verharrens zu wahren, streckte allerdings seine rechte Hand aus und ergriff das scharf geschliffene Schwert, welches ihm dargeboten wurde. Wie er sogleich erkannte, handelte es sich dabei um diejenige Waffe, die einst seinem braven Vater, Tarabunt, und davor bereits dessen Vorfahr Horbart, dem allseits geachteten Pferdefürsten, gehört hatte.
    Plötzlich aber, mitten in jenes so anmutige Traumbild von Freudenfeuer und Hoffnung hinein, erstarrte der blondhaarige Krieger und glaubte, das Herz zerrisse ihm bei lebendigem Leibe.
    Imalra, der Tochter des Menschen Theron und der Lindar Sinalwa, entfuhr ein leiser, gepresster Schrei, während ihr graziöser, ebenmäßiger Körper sich krümmte und nach vorne kippte. Arnhelm schnellte empor, fing seine Mutter mit seinen Armen auf und gewahrte, dass ein langer schwarzer Speer aus ihrem Rücken ragte. Der eiserne Keil, welcher den Schaft der Waffe krönte, war tief in ihr Rückgrat eingedrungen, hatte ihr Fleisch an dieser Stelle zerfetzt und zweifellos mehrere lebenswichtige Organe zerschunden. Schon sammelte sich eine große Lache Blut unter ihrem grauen Überwurf und verriet, dass jegliche Hilfe, selbst diejenige eines erfahrenen Heilers, zu spät für sie kommen würde. „Mutter ...“, sagte er leise, da ihm in der Fassungslosigkeit jenes Augenblicks keine anderen Worte in den Sinn traten.
    Während er die sterbende Fürstin weiterhin hielt und Tränen seine Augenwinkel befeuchteten, fühlte er, wie eine klamme Kälte in seinen Körper kroch, so als hätte ihn jemand in einem Ozean aus Eis versenkt und sein ganzer Körper wäre von gefrorenen Massen umschlossen. Wie eine gewaltige Sintflut schlug die Lautlosigkeit der Umgebung über ihm zusammen. In diesen Momenten, die sich zu der Endlosigkeit vieler Zeitalter auszudehnen schienen und deren Tragödie ewiglich anzuhalten drohte, fühlte er sich abgeschnitten von der übrigen Welt, und er schien nichts zu hören oder zu sehen, ähnlich wie es einem Ertrinkenden unter Wasser ergeht. In Wahrheit aber war jene Stille wie die tiefe, von einer gewaltigen Energie geladene Ruhe vor dem Sturm, das letzte Atemholen in der

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