Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)
zufällig beiwohnen mochten, unhörbar waren.
„Du hast dein Volk, das du dir selbst erwählt hast und dem gegenüber du dich verpflichtet hast, im Stich gelassen und ins Unglück gestürzt“, fuhr das schemenhafte Abbild Sinalwas fort. „Und es war keine überstürzte und unbedachte Entscheidung von dir, dies zu tun, vielmehr war all dein Handeln, von deiner Vermählung mit dem Fürsten Rhodrims bis zu den Kriegen, die nunmehr den Kontinent verzehren, Teil einer großen Intrige, der du dich deinem Vater zuliebe schon seit deiner Kindheit verschrieben hast.
Meine Bestimmung ist es, deinen Vater mit der gleichen Hingabe zu lieben wie dich, Imalra, und auch hoffe ich sehnsüchtig darauf, eines Tages wieder mit ihm vereint zu sein, sofern Aldu dies gestattet. Wisse jedoch, dass sein Herz nach all den Zeiten, die von Kampf und Entbehrung und Leid geprägt waren, allzu verbittert ist und er nicht mehr zu unterscheiden vermag zwischen Gerechtigkeit und blindwütiger Rache. Er hat sich zum Helfer böser Mächte gemacht, denen der Sinn niemals nach einer Verbesserung der Umstände steht, und auch wenn er sich dereinst besinnen und seinen Irrtum erkennen mag, wird dieser Zeitpunkt zu spät für die meisten Wesen sein, da dann das Unheil, das er in Gang setzte, nicht mehr umgekehrt werden kann.
Bevor ich nun zurückkehren muss an den Ort, welcher meine neue, glückselige Heimat ist und von dem ich dir durch bloße Worte nur wenig künden kann, lass mich einen verzweifelten Appell an dich richten, denn noch bleibt ein wenig Zeit, deine Seele zu entladen von Schuld. Lass nicht zu, dass aus deinem Herzen eine ewigliche Mördergrube wird, und vor allen Dingen vermeide mit all deiner Kraft, dass aus deinem so tadellosen Sohn ein Werkzeug und ein Abbild des Zornes seines Großvaters wird! Bewahre Arnhelm vor weiterem Schaden, und hilf ihm stattdessen, die Ordnung wiederherzustellen, denn er allein unter allen Menschen hat die Macht und das Vertrauen seiner Mitbewohner hierzu! Lass den Schrecken enden, der mit den beiden verwunschenen Schwertern über Munda kam, und trag dazu bei, dass der große Theron Goldklinge in Frieden und Eintracht den Weg zurück zum Pfad der Tugend und der Selbstlosigkeit findet, so wie er einst als erster und größter aller Ritter sein Volk in die Freiheit eines neuen Lebens in Arthilien führte! Dies ist alles und nicht eben wenig, was dir zu tun bleibt, ehe das Ende auf die eine oder die andere Weise kommt.“
Dann verblasste die Vision, der kristalline Rauch wurde augenscheinlich eingesogen von dem Perlen-Gobelin, und Imalra blieb allein mit einem heftig pochenden Herzen und in einer stummen Erschütterung, die sie mit niemandem teilen konnte, zurück.
Die Burg, welche gleichfalls als Fürstenresidenz diente, war das größte und beeindruckendste Gebäude Dirath Lums und schien sich mit ihren Dächern und Türmen in den Himmel bohren zu wollen. Der Schatten, welcher darüber hing, war so vollkommen, dass niemand davon Notiz nahm, wie die Fürstin, in ein unscheinbares graues Kleid gewandet, auf einem Altane erschien, der vom ersten Geschoss des zentralen Baus aus erreichbar war und von einem Säulenrondell gestützt wurde. Von jenem Söller aus vermochte sie sich einen guten Überblick über das Geschehen zu verschaffen, das vor den Festungstoren der Stadt vor sich ging.
Entsetzen traf sie wie ein schwerer Schlag, als sie all die erbarmungswürdigen Schreie, welche die unheilschwangere Dunkelheit wie grelle Blitze durchzuckten, vernahm und die leblosen, blutigen Zeugnisse des Todes sah, welche die Schlacht bislang gefordert hatte. Pfeile gingen unentwegt von der Krone der Brüstung auf die auf den äußeren Zugangswegen Streitenden hernieder und ließen, gemeinsam mit der Tatsache, dass der Hauptplatz der Stadt von bewaffneten, nach draußen drängenden Ghuls nur so wimmelte, erahnen, dass es um die Sache der Menschen und Zwerge schlecht bestellt war. Aber auch die Verteidigungsanlagen hatten unübersehbar Schaden genommen, denn innerhalb der Umfriedung wüteten allerorten kleinere und größere Feuer, die schwarze und rußige Rauchwolken aufwirbelten und diesen wie hungrige Mäuler nach und nach bis in alle Winkel der Feste zu folgen gedachten. Auch an einigen der Treppen, die auf den Laufsteg hinter der Wehrmauer führten, sowie an den Eingängen und Fassaden mehrerer Wohnhäuser leckten bereits Flammengarben und lauerten im Dunkel, das nur sie zu durchdringen vermochten, auf Nahrung, die es
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