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Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)

Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)

Titel: Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger de Grandpair
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ihre verbliebenen rhodrimischen Wachen und Soldaten regelmäßig bedrohten und darüber hinaus immer mehr Angehörige ihrer Art in die hochgelegene Stadt schleusten. Sie ahnte sogar, dass sie es allein dem Umstand, dass sie unter dem Schutz des Schwarzen Gebieters stand, wie Theron Goldklinge mittlerweile geheißen wurde, zu verdanken hatte, dass man sie noch nicht ihres Lebens beraubt hatte. Dafür aber war ihr die Kontrolle über ihr Land und sogar ihr eigenes Haus längst entglitten. Und sie wusste innerlich, dass sie ebenso wenig über die Kraft verfügte, ihren verlorenen Einfluss und ihre Besitztümer zurückzugewinnen, wie die neuen Herren der Feste diese aus freien Stücken wieder an die Fürstin abtreten würden.
    Immer wieder stand die Frau, die trotz ihres für menschliche Verhältnisse vorgerückten Alters noch immer wunderschön und makellos war, von ihrem Sessel auf und wanderte in ihrem Zimmer umher. Dabei traten ihre Füße in dem dicken, beigefarbenen Teppich, der den Boden wie eine flauschige Grasnarbe bedeckte, ewig die gleichen Bahnen. Die Wände bestanden aus einem hellen, türkisfarbenen Marmor, der so durchdacht von violetten Adern durchzogen wurde, dass diese das Abbild von Bäumen und Pflanzenranken malten. Einige breite Wandbehänge aus durchlässiger grüner und blauer Seide sorgten für eine noch gesteigerte Entfaltung von Prunk und Behaglichkeit. Die Zimmerdecke war ebenfalls aus seltenem Marmor gearbeitet worden, doch sah man nur wenige Stücke davon, da sie von einem ebenso ausgedehnten wie fein gewebten Tuch aus weinrotem Samt bespannt wurde. Der Stoff hing offensichtlich an mehreren Schnüren, da er sich in vielen Wölbungen herabsenkte; außerdem ließ er an mehreren Stellen Platz für kleine, unscheinbare Laternen, die ein angenehmes Licht auf das Tuch warfen und es bei Einbruch der Dämmerung wie einen abendlichen Sternenhimmel erscheinen ließen.
    Die Ghuls hatten es bislang nicht gewagt, sich den allein der Fürstin vorbehaltenen Bereichen auch nur zu nähern, und die Halbelbin vermutete, dass dies auch damit zusammenhing, dass die Kreaturen alles Helle, Anmutige und Schöne so sehr verabscheuten und mit einer unermesslichen Inbrunst hassten.
    Imalra stellte sich an das Fußende ihres Bettes, das von einem Baldachin, der aus einem seidenen Netz bestand, überspannt war, und betrachtete, immer wieder aufs Neue beeindruckt, den Gegenstand, welcher dort aufgebahrt lag. Auf einem großen Tuch aus blauem Samt lag der Perlen-Gobelin, jener unvergleichlich prächtige Wandteppich, der mit Juwelen und Perlen, die man in den Weiten Mundas kaum ein zweites Mal finden konnte, sowie elbischen Stickereien verschönert war. Sie hatte das prächtige Stück vor einigen Tagen bereits aus ihrem Empfangsraum, der in einem tieferen Stockwerk des Gebäudes gelegen war, sicherheitshalber entfernen und in ihr höchst privates Gemach verbringen lassen. Nun fand sie darin, wenn sie sich dem funkelnden Zauber der erlesenen Elbenarbeit hingab, den vielleicht einzigen Trost, der ihr noch blieb.
    Plötzlich stutzte Imalra verwundert, während ihr Atem zuerst flacher wurde, dann für eine Weile innehielt und schließlich nur noch in Stößen ging. Sie glaubte, sich in einer Art Sinnesverwirrung oder einem Fieberwahn zu befinden, doch getraute sie sich nicht, sich die Augen zu reiben oder sich von der Erscheinung, die sich ihr offenbarte, abzuwenden. Und irgendetwas in ihr verriet ihr, dass sie mitnichten einer Täuschung aufgesessen war, sondern Zeugin eines höchst wahrhaftigen, wenn auch nach den gewöhnlichen Maßstäben übernatürlichen Schauspiels wurde.
    Vor ihr, über der Oberfläche des glitzernden Gobelins, schwebte ein weißlicher Dunst in der Luft, der aus dem Schmuckstück aufzusteigen schien und, obgleich seine Formen stetig wogten und ineinander flossen, das erkennbare Bildnis eines Lebewesens zeichnete.
    Die von dem Zerrbild dargestellte Person war Sinalwa, die Mutter Imalras und einstige Gemahlin Therons, welche die Gefilden derjenigen, die mit Leibern aus Fleisch und Blut in Arthilien wanderten, längst verlassen hatte.
    „Du verdienst dieses Schicksal nicht, das du dir selbst aufgeladen hast, mein Kind“, hörte die Fürstin die geisterhafte Erscheinung mit einer schönen Stimme sprechen. Obwohl die Worte klar und deutlich waren, vermochte sie doch nicht zu sagen, ob diese laut erklangen oder nur im Innern ihres Bewusstseins widerhallten, und damit für alle anderen, die jener Situation

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