Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)
zu verzehren galt.
Wie ein Dieb, der in einer stillen Nacht den Schlaf oder die Abwesenheit seiner Opfer ausnutzt, stahl sich Imalra in die tieferen Ebenen des Palastes und gelangte schließlich in dessen unterirdische Kellerbereiche. Eine Fackel in den Händen tragend, lief sie auf leisen Sohlen durch das Gewölbe, wobei sie sich eilte, da sie wusste, da für eine Flucht nicht mehr viel Zeit verblieb. Als sie endlich den Kerker, der das Ziel ihres Weges war, erreicht hatte, sah sie sich erstmals seit ihrem Verlassen ihrer Turmgemächer Widerstand gegenüber. Zwei großgewachsene Crefilim nämlich waren zur Wacht über den Gefangenen vor dessen Zelle postiert und schauten ihr nunmehr gleichermaßen mit Überraschung und Abscheu entgegen. Ihre Fühler bewegten sich tastend und sinnierend, und ihre sehnige, schleimige, graubraune Haut glitzerte vor Anspannung und Drohung wie von einem kalten Schweiß. Ihre imposanten Muskeln spannten sich unter ihren ledernen, mit Eisen verstärkten Rüstungen, während sich ihre haarigen Finger fester um ihre Waffen schlossen.
„Geht mir aus dem Weg!“, sagte die Fürstin Rhodrims mit fester, befehlender Stimme, wobei sie den Blick der sie an Größe deutlich überragenden Kreaturen standhaft erwiderte. „Ich muss den Gefangenen verhören, auch wenn sein Schweigen sein Volk nicht retten wird, denn unsere Krieger haben die Menschen und Zwerge vor unseren Toren schon beinahe vollständig aufgerieben und vernichtet!“
Die Geschöpfe Tuors antworteten weder noch fügten sie sich. Stattdessen versperrten sie mit ihren kraftvollen, ekligen Leibern und ihren Hellebarden und Speeren, die sie streitsüchtig umklammert hielten, nach wie vor den Weg zu Arnhelms Zellentür und schnaubten und röchelten verächtlich und ungerührt, was man bestenfalls als Ablehnung werten konnte.
„Vernehmt Ihr mich nicht? Ich dachte, Ihr wärt des Verstehens unserer Sprache einigermaßen mächtig?“, sagte Imalra, nun aufrichtig ärgerlich, was ihre tatsächlich vorhandene Angst ein wenig überspielte. Mit Grauen dachte sie daran, dass sie einmal gehört hatte, dass Ghuls angeblich ähnlich wie Wildhunde, Wölfe und andere Raubtiere Furcht und Falschheit im Blut eines anderen Wesens zu riechen vermochten. „Ich allein vertrete an diesem Ort den Schwarzen Gebieter und unseren höchsten Herrn, der Utgorth einst mit seinen Krallenhänden grub und Euch und Euresgleichen mit seinem Atem Leben einhauchte! Deshalb untersteht Ihr meinem Befehl und solltet mich bei all meinen Absichten treu unterstützen, sofern Ihr nicht wollt, dass Ihr als Verräter zur Rechenschaft gezogen werdet und den Beginn unserer Herrschaft über den Kontinent nicht mehr erleben könnt! So geht Ihr mir jetzt aus dem Weg, oder muss ich erst gehen und Beschwerde über Euch führen, damit man Euch durch klügere und geeignetere Diener unserer Sache ersetzt?!“
Als die Fürstin sich umdrehte und ihre Drohnung scheinbar in die Tat umsetzen wollte, stießen die Crefilim ein unwirsches Fauchen und Rasseln aus, das beinahe wie von einem Reptil klang. Als sie daraufhin über ihre Schulter blickte, erkannte sie, dass die beiden Wachen zur Seite getreten waren und ihr den Weg damit freigegeben hatten. Das Widerstreben der Kreaturen war gleichwohl unverkennbar, denn den Griff um ihre mächtigen Waffen hatten sie nur geringfügig gelockert, und ihre misstrauischen Augen ließen für keinen Augenblick von ihrem zierlichen Gegenüber ab.
Die Herrin Rhodrims ging zu einem kleinen Tischchen an der Wand der Kaverne, auf welchem ein großer Metallring mit nur einem Schlüssel lag. Auf diese Weise gewappnet, schritt sie zu der geräumigen Zelle hin, in welcher Arnhelm seit mehreren Wochen schon sein Dasein fristete. Das einzige, was er als Gefangener in jenem dunklen Loch von der Außenwelt wahrnahm, war ein schwacher Strahl Sonnenlicht, kaum mehr als ein gedämpftes Schimmern, das weit über ihm in unkenntlicher Höhe durch eine kleine Öffnung in die Höhle hereinfiel.
Nachdem sie die Kerkertür knarrend aufgestoßen hatte, trat Imalra in die von unbezwingbaren Gitterstäben eingefasste Räumlichkeit hinein.
„Bleib sitzen, Gefangener, und versuch' nicht, mir zu nahe zu kommen, denn es würde deinen Tod bedeuten!“, sagte sie laut und energisch, um sich vor dem Publikum, welches die Szene und jeden ihrer Schritte beobachtete, soweit wie möglich über den Verdacht der Unlauterkeit zu erheben.
Arnhelm, der Thronerbe eines stolzen Reiches, war
Weitere Kostenlose Bücher