Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)
zu seinen bemitleidenswerten menschlichen Artgenossen und Landsleuten – Schonung gewähren würden.
So begann er eiligen Schrittes zurückzutrotten in Richtung des Zentrums der prunkvollen Stadt, deren letzten Stunden nunmehr zu schlagen begonnen hatten. Sein bemüht rascher Gang wirkte dabei alles andere als leichtfüßig und vielmehr einem ungeschickten Watscheln ähnlich, während sich sein Wams über seinem umfangreichen Bauch so sehr spannte, dass es zu zerreißen drohte.
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Wie in allen Bereichen des Engat Lum umarmenden Mauerwerks wiegten sich auch an dessen Ostseite in regelmäßigen Abständen seidene Banner im Wind. Die türkisfarbenen Flaggenmasten waren zwischen den Zinnen verankert, und die wehenden Tücher zeigten das Emblem des jungen Königreiches, ein Wagenrand, zwei Münzen und eine dies alles überdachende Krone.
Jenseits der Trennlinie faltete sich das Land zu sanften Hügeln auf, die zu dieser Jahreszeit einen weitgehend kargen Anblick abgaben. Die meisten der dort stehenden Bäume und Gebüsche hatten nämlich einen Großteil von Farbe und Blattwerk eingebüßt. Nach Süden hin wurde der Wuchs etwas dichter, wohingegen er im Norden noch seltener wurde, abgesehen von den zahlreichen Linden, welche den Lad Falinn wie eine dichte Schar sich tränkender Wesenheiten umgaben.
Die wenigen engat lumischen Soldaten, welche die südöstliche Flanke des Ringwalls zu dieser Stunde bewehrten, sahen zunächst mit Erstaunen und einem gewissen Maß an Beängstigung, dass sich um sie herum Nebel wie ein helles Laken über den Boden legte und der Stadt mit hoher Geschwindigkeit entgegenkroch. Jener Schleier aus Dunst war dicht genug, dass man sich darin verstecken konnte, wenn man es darauf anlegte und sich flach hinlegte. Oberhalb jenes trüben Behangs wurde die beginnende Nacht rasch tiefer und finsterer. Irgendetwas erweckte in den Männern ferner das Gefühl, dass sich innerhalb des Dunkels ertwas Unheimliches, Bedrohliches regte und wie eine beharrliche, sich in ihrer Wut immer mehr steigernde Gischt gegen die steinernen Mauern brandete. Gleichwohl herrschte in der weiten Umgebung eine fürwahr bleierne Lautlosigkeit, gegen die offensichtlich weder der Wind noch Vögel, Grillen oder andere Tiere anzukämpfen suchten.
Es dauerte nicht lange, da meinten die Angehörigen der Wachmannschaft, vor dem düsteren Hintergrund der Nacht am Rande ihres Gesichtsfeldes tiefschwarze Flecken umherwandern zu sehen. Zudem flimmerten hier und da helle Punkte auf, wie Leuchtkäfer in einem dunklen Wald, doch erzählten ihnen ihre Ungewissheit und Furcht, dass es sich hierbei in Wahrheit um blinzelnde Augen handelte, die sich im Stillen bewegenden, bösartigen Kreaturen gehörten.
Die Soldaten fassten ihre Schwerter und Speere fester, denn unwillkürlich deuchte ihnen, dass jeden Augenblick etwas Schlimmes, Unvorhersehbares zum Ausbruch kommen würde.
Dann nahm das Unheil seinen Lauf.
Ein plötzliches, elendiges Kreischen machte den Anfang und zog eine Folge ähnlicher, gleichermaßen erschreckender Laute nach sich. Dazwischen erhob sich der schräge Klang einer Mehrzahl von Blashörnern, die offensichtlich ganz in der Nähe gestoßen würden. Im milchigen Grau der sich über dem Grund ringelnden Nebelschleier erschienen bucklige, bizarre Umrisse, die weder Mensch noch Tier zuzurechnen waren. Die abstoßenden, flinken Geschöpfe trugen speckig glänzende Körper, gespitzte Ohren und gebleckte Zähne zur Schau. So zahlreich wie ein Fliegenschwarm und so eng beieinander wie eine lebendig gewordene schwarze Wand stoben sie mit der Angriffslust ausgehungerter Raubtiere voran, nahten ungebremst dem Wall und warfen sich diesem schließlich entgegen. Zum Entsetzen der Menschen fanden ihre langen, klebrigen Finger an der glatten Fassade Halt und ermöglichten ihnen, sich an dem Hindernis mühelos nach oben zu hangeln.
Den Wachen versagte für eine ganze Weile die Sprache. Die Lähmung löste sich erst dann von ihren Zungen, als sie erkennen mussten, dass die Mauern bei weitem nicht hoch genug waren, um die feindlichen Wesen lange jenseitig zu halten, und sie die Bitterkeit jener Erkenntnis auf ihrem Gaumen zu schmecken begannen. Und dann geschah auch schon, dass sich die ersten der Kreaturen im weiter nördlich verlaufenden Bereich der Umfriedung über die Kanten der Zinnen auf die Mauerkrone hinaufzogen. Das Aufblitzen der Schneiden ihrer krummen Schwerter, Dolche und Spieße im Mondlicht, das den Horizont mittlerweile wie
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