Die Zweierbeziehung
sich therapeutisch auch nur in dem Ausmaß verändern lässt, wie sich das Beziehungssystem als Ganzes und damit auch der Realpartner umstrukturiert.
In jeder Psychotherapie von Ehekonflikten sollte also der Partner zumindest in der Vergegenwärtigung einbezogen werden, und zwar so, wie er sich wirklich verhält, und nicht nur so, wie der Patient ihn sehen will.
Gelegentlich kommt es vor, dass mich Psychotherapeuten zu vertrauensseliger Stunde fragen: «Sagen Sie mal, wie kamen Sie eigentlich zur Ehetherapie?», mit dem maliziösen Augenzwinkern: «Der muss mit seiner Ehe ja schön in der Tinte sitzen.» Als Analytiker pflege ich die Frage zurückzugeben: «Sagen Sie mal, wie kamen Sie eigentlich nicht zur Ehetherapie?» Ich habe nämlich den Eindruck, dass die Zurückhaltung der Analytiker gegenüber Paarbehandlungen nicht selten in persönlichen Eheschwierigkeiten mitbegründet ist, welche oft schamvoll verdeckt werden.
Oftmals ist der therapeutische Rahmen die Beziehungsform, in der der Analytiker aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur sozial am besten funktioniert. Dieser Schutz fehlt dem Analytiker nun aber in einer nichttherapeutischen Partnerbeziehung. In der konkreten Paarsituation kann sich der Analytiker nicht mehr als Spiegel oder Projektionsschirm anbieten. Es genügt nicht, sich in den Liebespartner einfühlen und ihn immer noch besser verstehen zu wollen. In der Berufssituation muss sich der Analytiker nicht mit sozialem Handeln verantworten, sondern mit verbalem Deuten. Das ist aber in der Ehebeziehung nicht zulässig. Da müsste der Analytiker seine Rolle ablegen können und selbst Stellung beziehen. Er sollte nicht das Verhalten des Partners interpretieren, sondern müsste selbst «agieren».
Manchen Analytikern fällt es aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur schwer, dem Partner gegenüber die introspektiv-interpretierende Haltung aufzugeben. Anfänglich mag das Psychologisieren dem Partner angenehm sein, weil er sich in vertiefter Weise verstanden fühlen wird. Auf längere Dauer aber wird er die Beziehung als einseitig empfinden und möchte spüren, wie der analytische Partner wirklich ist, er möchte sich ein Bild von ihm machen können, ein Bild von Fleisch und Blut. Je mehr er nun aber den Analytiker bedrängt, Farbe zu bekennen, desto mehr wird dieser – wie in der narzisstischen Kollusion beschrieben – ausweichen. Die Berufswahl des Analytikers kann eine sozialisierte, für ihn und seine Patienten heilsame Abwehrform in eigenen Beziehungsschwierigkeiten sein. In der Ehe besteht aber die Gefahr, dass sich der nicht analytisch gebildete Partner zunächst persönlich unterlegen fühlen wird. Eventuell versucht er nun, sich selbst in die analytische Denkweise einzuarbeiten, und begibt sich in eine Psychoanalyse. Damit wird aber häufig das Meister-Schüler-Verhältnis nur noch spürbarer. Manche haben dann erst recht den Eindruck, sie dürften nur die analytischen Brosamen vom Tische des Herrn aufpicken. Diese Beziehungsform widerspricht der Gleichwertigkeitsregel. Nicht selten entwickeln die nichtanalytischen Partner einen Hass auf alles Analysieren und verlegen sich auf die Gegenposition, nämlich auf das direkte soziale Agieren. Agieren als Reaktion auf die Entwertung des Gesprächs durch das deutelnde Verhalten des Analytikers, Agieren, weil das oft die Verhaltensform ist, der gegenüber sich mancher Analytiker relativ hilflos fühlt. Er neigt dazu, sich zurückzuziehen, wenn ihn sein Partner anbrüllt, ihm Szenen macht oder ihn vor anderen Leuten als lächerlich hinstellt. Er wird sich mit dem Gedanken schützen, dass Agieren in den Augen vieler Analytiker einen Anstrich von Primitivreaktion hat. Er muss sich also dem Partner nicht auf einer so direkten, unkontrollierten Stufe stellen. Je deutender sich solch ein Analytiker verhält, desto mehr fühlt sich sein Partner zum Agieren gedrängt, und je mehr der Partner agiert, umso mehr zieht sich dieser Analytiker ins Deuten zurück. Es entwickelt sich nun leicht ein Beziehungssyndrom, das ich als hysterische Ehe beschrieben habe.
Bei der Partnerwahl steht mancher Analytiker in der Stellung des Retters und Heilers zu einer scheinbar schwachen und hilfebedürftigen Frau. Er hilft ihr aus ihrem Unglück, was ihm einen narzisstischen Selbstwertzuwachs verschafft. Der Mann ist der idealisierte Retter, der die Frau stützt, trägt und empathisch in ihr aufgeht, die Frau als zartes, schwaches und dankbares Kleinod. Es kann sich die
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