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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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hinauf zu der Frau, hat noch nie solche Schmerzen gehabt, eine Welt der Schmerzen, ein Kessel voll Feuer, Lava in den Adern, ein Alptraum alles verschlingenden Hungers, er erprobt die Grenzen der erstaunlichen Belastbarkeit seines Körpers, taumelt am Rand des Todes dahin, stößt mit der Frau zusammen, drängt sie zurück, greift nach der Waffe, entreißt sie ihr, wirft sie beiseite, hat es auf ihr Gesicht abgesehen, ihre Kehle, schnappt nach ihrem Gesicht, beißt nach ihrem Gesicht, sie hält ihn zurück, aber er braucht ihr Gesicht, ihr Gesicht, ihr glattes, sanftes Gesicht, außerirdisches Fleisch, um das Verlangen zu stillen, das Verlangen, das schreckliche brennende endlose Verlangen.
    Der Andere riß Paige die Schrotflinte aus der Hand, warf sie beiseite, stürzte sich auf sie und stieß sie rückwärts durch die Tür.
    Der Raum unter dem Glockenstuhl schien mehr von der natürlichen Phosphoreszenz des fallenden Schnees als vom rapide schwindenden Tageslicht erhellt zu werden. Marty sah, daß der Andere übel zugerichtet worden war und seltsame Veränderungen mit ihm stattgefunden hatten – noch stattfanden –, obwohl das aschfarbene Zwielicht die Einzelheiten der Verwandlung verbarg.
    Paige fiel auf die Plattform des Glockenturms. Der Andere stürzte sich auf sie wie ein Raubtier auf seine Beute, zerrte an ihrer Skijacke, gab ein trockenes, aufgeregtes Zischen von sich und knirschte so ungestüm wie ein wildes Tier aus dem Bergwald mit den Zähnen.
    Jetzt war er ein Ding. Kein Mensch mehr. Etwas Schreckliches, wenn auch nicht völlig Verständliches geschah mit ihm.
    Der von Verzweiflung getriebene Marty fand eine letzte Kraftreserve in sich. Er überwand sein Schwindelgefühl, das an völlige Orientierungslosigkeit grenzte, und trat so fest er konnte nach dem verhaßten Ding, das sein Leben wollte. Er traf es genau am Kopf. Obwohl er Turnschuhe trug, hatte der Tritt eine schreckliche Wucht und zerschmetterte das ganze Eis, das sich an dem Schuh gebildet hatte.
    Der Andere heulte, wälzte sich von Paige herunter, rollte gegen die Südwand, kam aber sofort wieder auf die Knie, dann in eine stehende Haltung, katzenhaft und unberechenbar.
    Noch während das Ding taumelte, kroch Paige zu den Kindern und drängte sie hinter sich.
    Marty sprang zu der Waffe, die auf dem Treppenabsatz lag, Zentimeter hinter der offenen Tür. Er duckte sich und ergriff mit der rechten Hand den Lauf der Mossberg.
    Paige und die Mädchen stießen einen Warnschrei aus. Er hatte keine Zeit mehr, die Waffe umzudrehen und eine Patrone in die Kammer zu pumpen. Er sprang auf, drehte sich in der Bewegung, gab einen wilden Schrei von sich, der sich fast wie die Laute anhörte, die sein Gegner gemacht hatte, und schwang die Schrotflinte am Lauf.
    Der Kolben der Mossberg traf die linke Seite des Anderen, aber nicht so fest, daß Rippen brachen. Marty war gezwungen gewesen, sie mit einer Hand zu führen, da er die linke nicht gebrauchen konnte, und nun bekam er die Wucht des Schlags selbst zu spüren, der Schmerzen durch seine Brust jagte und ihm mehr weh tat als dem Anderen.
    Der Doppelgänger entwand Marty die Mossberg, benutzte sie aber nicht selbst, als wäre er in ein vormenschliches Stadium zurückgesunken, in dem er in der Waffe nichts anderes mehr als eine Keule sehen konnte. Statt dessen warf er die Mossberg fort, schleuderte sie über die Brüstung in die verschneite Nacht hinaus.
    »Doppelgänger« war auch nicht mehr zutreffend. Marty konnte immer noch Aspekte von sich in der verzerrten Fratze erkennen, aber selbst in der trüben Dämmerung hätte sie niemand mehr für Brüder halten können. Dabei machten die Verletzungen durch die Schrotflinte nicht mehr den Hauptunterschied aus. Das blasse Gesicht wirkte seltsam dünn und spitz, die Knochen standen zu sehr vor, die Augen waren tief in dunklen Ringen versunken: wie bei einer Leiche.
    Die Mossberg fiel noch kreisend durch den fallenden Schnee, als das Ding auf Marty zustürmte und ihn gegen die nördliche Wand rammte. Der betonierte Sims der Brüstung stieß ihm so fest in die Nieren, daß die letzten Kraftreserven, die er mobilisieren konnte, aus ihm herausgequetscht wurden.
    Der Andere hatte ihn am Hals gepackt. Wiederholung der Szene gestern im Arbeitszimmer, Mission Viejo. Drückte ihn nach hinten, so wie er über das Geländer der Galerie gedrückt worden war. Aber dieses Mal stand ein tieferer Sturz bevor, in eine Dunkelheit schwärzer als die Nacht, in eine Kälte

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