Die zweite Kreuzigung
was er wollte, und dass Ruhm für ihn Ruhm für sie alle bedeutete. Schweigend marschierten sie vorwärts, gutgebaute Männer ohne Mitleid, Männer in Schwarz mit schwarzen Waffen.
Einige Frauen hatten das kurze Rattern der Maschinenpistolen gehört und liefen nun auf dem Pfad von der Heiligen Stadt zur Oase zurück. Keine hatte je ein Gewehr, geschweige denn eine automatische Waffe schießen gehört. Sie fürchteten sich vor Geistern und Gespenstern, nicht vor Menschen. Sie hatten ihre Kinder dabei und schritten rasch aus. Hinter ihnen lag die Heilige Stadt in tiefem Schweigen. Anfangs glaubten sie, die Leute, die auf sie zukamen, seien ihre Männer und Brüder, als sich aber deren Umrisse abzeichneten, wussten sie, dass sie sich geirrt hatten.
Aehrenthal befahl, sie alle zu fesseln. Zwei seiner Leute sollten sie an einen sicheren Ort bringen, wo sie ihre toten Verwandten nicht sehen konnten und nicht in Panik geraten würden.
»Diese Wilden sind zu allem fähig«, sagte er. »Wenn sie sehen, dass ihre Männer tot sind, werden sie hysterisch. Das hätte mir gerade noch gefehlt. Später könnt ihr mit ihnen machen, was ihr wollt, aber jetzt haben wir Wichtigeres zu tun.«
Er wusste, dass ihre Vorräte zur Neige gingen. Sie konnten hier ihre Wasserkanister auffüllen und auch ein paar Lebensmittel requirieren, aber weder Benzin noch Öl, kein frisches Obst außer Datteln, kein Weizenmehl und keine Eier. Sie konnten überleben, aber der Regen hatte sie aufgehalten. Er wollte so viel wie möglich auf ihre Fahrzeugeladen, die Leichen beseitigen und dann sofort von diesem Ort verschwinden.
Inzwischen konnten sich die Frauen denken, dass mit ihren Männern etwas nicht in Ordnung war. Ihr Geschrei wurde lauter und lauter.
»Wenn sie Ärger machen«, sagte Aehrenthal, »dann knallt sie einfach ab.«
EINUNDDREISSIGSTES KAPITEL
Sarah
Sarah saß stocksteif da und schaute in den Himmel. Sie fror, war hungrig und verspürte Todesangst. Sie wusste nicht, wo Ethan geblieben war, und ließ alle Hoffnung fahren, dass er noch rechtzeitig in Ain Suleiman eintreffen könnte, um etwas zu unternehmen. Und wenn er und die anderen tatsächlich auftauchten, würde es eine Schießerei und ein weiteres Blutbad geben.
Müde und erschöpft suchte sie sich aufrecht zu halten. Man hatte ihr die Hände vor dem Körper gefesselt, so dass sie hin und her rutschen musste, um mehr oder weniger gerade zu sitzen. Während sie das tat, fiel ihr Blick auf einen der Tuareg, der nur wenige Zentimeter neben ihr zu Boden gesunken war. Er lag auf dem Rücken. Seine Kopfbedeckung war herabgefallen und etwas zur Seite gerollt, so dass er mit bloßem Kopf dalag. In der rechten Hand hielt er noch sein Schwert, das sich in Sarahs Reichweite befand.
Sie blickte zu dem Wachposten hin, der ihr den Rücken zuwandte und in die Richtung schaute, in die Aehrenthal mit seinen Männern gegangen war. So geräuschlos wie möglich beugte sie sich zur Seite, um an das Schwert zu gelangen. Sie klemmte es sich fest zwischen die Beine und schnitt an der Klinge den Strick durch, mit dem ihre Hände zusammengebunden waren. Binnen Sekunden war auch die Fußfessel gelöst. Nach kurzem Überlegen schlich sie auf Zehenspitzen zur Seite und griff sich den Turban des Tuareg. Der entpuppte sich als eine lange blaue Stoffbahn. Auch ein paar Seile nahm sie an sich.
Das Schwert bei seinem Ledergriff gepackt, schlich sich Sarah an den Posten heran. Der saß gelangweilt da, ohne etwas zu bemerken, und grübelte wohl darüber nach, was seine Kameraden gerade erlebten. Sarah legte das Schwert auf den Boden. Dann nahm sie den Streifen blauen Stoffs, holte tief Luft und schlang ihn mit rascher Bewegung um den Kopf des Postens. Über seinen Augen zog sie ihn mit solcher Kraft zusammen, dass sie ihn blendete. Er brüllte auf, aber sie verknotete das Band und stieß ihn mit dem Gesicht nach vorn zu Boden. Sie stemmte ihm ihr Knie in den Nacken und versuchte, ihm die Arme auf den Rücken zu fesseln. Er wehrte sich, konnte aber nichts sehen. Sie zog das Schwert aus der Scheide und drückte die Spitze dem Mann leicht ins Genick, so dass es ein wenig blutete. Mit einem zweiten Seil band sie ihm die Knöchel zusammen, zog es dann nach oben und wand es ihm als Schlinge um den Hals. Wenn er frei zu kommen suchte, würde er sich selbst erdrosseln. Das war weniger, als er verdiente. Seine Maschinenpistole lag neben ihm. Sie nahm sie und schwang sie sich über die Schulter.
Die klagenden Stimmen der
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