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Die zweite Kreuzigung

Die zweite Kreuzigung

Titel: Die zweite Kreuzigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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eigene Verantwortung, die schlechte Kommunikation mit den Jägern, zu vertuschen.
    Als Aehrenthal über eine Stunde später eintraf, war das Essen bereit, und Fodor hatte einen Plan, wie sie Sarah und Ethan doch noch kriegen konnten. Er empfing den Österreicher in der Eingangshalle und half ihm aus dem Mantel. Mit brüchiger Stimme berichtete er, was geschehen war.
    »Vielleicht ist sogar etwas Gutes daran, dass sie uns diesmal entwischt sind«, sagte er, um den vernichtenden Worten oder dem Faustschlag zuvorzukommen, die ihn zum niedrigsten Rang degradieren konnten.
    »Ich höre dir zu, Ágoston. Es ist schlecht, dass dir das passiert ist, dafür wirst du wohl büßen müssen. Aber erst einmal höre ich dir zu. Was soll daran gut sein, dass sie dir entkommen sind?«
    Aus dem Saal war das Geklapper von Messern, Gabeln und Tellern zu vernehmen. Aehrenthal war zwar hungrig wie ein Wolf, achtete aber nicht darauf. Fodor, der innerlich vor Angst zitterte, suchte dennoch sicher zu wirken.
    »Sie können uns zu dem Mönch führen, wo immer ersich aufhalten mag. Und von ihm gelangen wir zu den anderen, die Sie erwähnt haben.«
    »Wie kommst du darauf, dass die beiden Engländer von dem Mönch wissen sollten? Nicht einmal ich kenne seinen Namen.«
    »Das junge Ding, das ihnen zur Flucht verholfen hat, gilt als sehr clever. Sie hat an der Bukarester Universität Englisch studiert. Sie hat aber auch einen Kurs in rumänischer Architektur, besonders der von alten Kirchen, absolviert. Sie hat eine Arbeit über Klostermalerei geschrieben. Ein sehr beliebtes Thema unter den Studenten.«
    »Und daraus schließt du, dass sie den Mönch kennt, den Mann, der uns nachschnüffelt wie ein Rüde der läufigen Hündin, dass sie vielleicht Kenntnis davon hat, was er über uns weiß?«
    »Möglicherweise nicht allzu viel …«
    »Nicht allzu viel. Das Weib weiß nichts, aber sie kann uns zu ihm führen. Los, komm mit.«
    Aehrenthal führte den Ungarn in den großen Speisesaal. Es war ein Raum mit hoher Decke, der aus den frühesten Tagen des Schlosses stammte. Auf einer Seite hatte er einen Kamin von der Größe eines kleinen Hauses, dessen zweistöckiger Abzug aus großen weißen Marmorblöcken bestand. Er wurde von zwei Karyatiden und zwei Atlanten getragen, um die sich Zentauren, Nereiden, Minotauren, Satyre und Gorgonen mit vergoldeten Flügeln, Messingklauen und Bärenzähnen tummelten. Glieder rangen mit Gliedern, Köpfe schienen herumzufahren und den Beschauer anzustarren, Greife mit Löwenkörpern, mit Adlerköpfen und -schwingen stürzten sich auf kreischende Harpyen, Furien mit Fledermausflügeln schwebten über einer fein modellierten Figur der Göttin Nemesis.
    Von den kämpfenden Kreaturen geführt, wanderte der Blick des Beschauers nach oben, bis er ein Gebälk zwischen Kamin und Decke erreichte, das von einem Ende des Raumes zum anderen eine lange Reihe von Fahnen zierte. Aehrenthal schaute zu ihnen auf, um wie stets aus ihrem Anblick Kraft zu schöpfen. An gewissen Tagen im Jahr ließ er sie herunternehmen und hier, fern von ungebetenen Blicken, durch den Raum tragen – das Original der Führerstandarte, Hitlers persönlicher Fahne, eine Flagge mit dem Aufdruck »Deutschland erwache«, ein Kampfbanner mit dem Eisernen Kreuz, eine Fahne des SS-Hauptquartiers, rot, mit dem Hakenkreuz im weißen Kreis. Daneben eine grüne Flagge von Rumäniens Eiserner Garde mit einem dreifachen Kreuz darauf, das an ein Gefängnisgitter erinnerte, schließlich das rote Banner der ungarischen Pfeilkreuzler mit den vier gekreuzten Pfeilen und die Kruckenkreuzflagge der Vaterländischen Front Österreichs.
    Laut wurden Stühle gerückt, und dann standen alle Gäste stramm, die Arme zum traditionellen faschistischen Gruß hochgerissen. Tiefes Schweigen trat ein, das bis in die Küche zu spüren war, wo selbst das Klappern von Töpfen und Tellern aufhörte.
    »Meine Herren«, sagte Aehrenthal, »ich heiße Sie willkommen. Ich bin überzeugt, dass unsere Beratung erfolgreich sein wird. Dies ist unsere erste Sitzung. Ich habe wichtige Informationen für Sie alle. Aber zunächst ist hier noch eine Angelegenheit zu regeln.«
    Er wandte sich Fodor zu, der neben ihm stand.
    »Dieser Mann«, sagte er, »ist Ágoston Fodor. Die Ungarn unter Ihnen kennen ihn. Bevor ich mich von diesem Ort entfernte, habe ich ihn zu meinem Stellvertreter auf Vár Farkasnak, der Wolfshöhle, ernannt. Ich habe ihm befohlen,Jagd auf ein paar Leute zu machen, die sich mir

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