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Die zweite Wirklichkeit

Die zweite Wirklichkeit

Titel: Die zweite Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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des Herrn.
    Als er die Augen öffnete, sah er die Heilandfigur am Kreuz, das über dem Kopfende seines Bettes an der Wand hing. Er selbst lag jedoch nicht in seinem Bett, sondern auf dem Fußboden daneben. Denn sein Bett hatte er in dieser Nacht anderweitig zur Verfügung gestellt .
    Pater Lorrimer würde ihn zum Teufel jagen, wenn er herausfand, daß sein junger Schützling die Nacht Seite an Seite mit einem Mädchen verbracht hatte.
    Daß Duncan es in gewisser Weise nicht freiwillig getan hatte, würde Lorrimer nicht interessieren. Zumal der junge Mann es ja nicht einmal selbst verstand. Wobei ihm allerdings zum Vorteil gereichte, daß er der Frage nach dem Warum und Weshalb nicht nachgehen mußte. Er hatte die Dinge so zu nehmen, wie sie waren.
    Trotzdem mußte er sich überlegen, wie er das Mädchen vor einer Entdeckung durch den Pater schützen konnte. Vielleicht würde es nicht schlecht sein, sie ganz offiziell Pater Lorrimer vorzustellen. Als eine Schutzbedürftige, die Hilfe brauchte. Dagegen würde er nichts einzuwenden haben.
    Doch zu diesem Zweck wäre es vielleicht angeraten, dem Mädchen erst einmal etwas anzuziehen.
    Duncan öffnete seinen kleinen Kleiderschrank und suchte ein Hemd und eine Hose heraus, die ihm mittlerweile etwas knapp geworden waren. Ihr mußten sie passen, einigermaßen wenigstens. Ein Paar Turnschuhe hatte er auch rasch zur Hand.
    Dann trat er an das Bett heran. Nur der dunkle Schopf des Mädchens war zu sehen, der Rest verschwand unter der Zudecke, das Gesicht war der Wand zugedreht. Behutsam berührte er die junge Frau an der Schulter. »Guten Morgen«, flüsterte er halblaut. »Wachen Sie auf.« Sie murmelte etwas Unverständliches, grub sich noch tiefer in die Decke ein - und erstarrte dann unvermittelt.
    Duncan konnte sich in etwa vorstellen, was in ihr vorging. Vermutlich hatte sie gerade die Augen aufgeschlagen und fragte sich . »Wo bin ich denn hier?«
    Mit einem Ruck setzte sie sich auf, und als sie des jungen Mannes ansichtig wurde, der neben ihr stand, schrie sie spitz auf. »Wer sind Sie denn?« fragte sie erschrocken.
    Duncan starrte sie an. »Dasselbe wollte ich Sie auch gerade fragen.«
    Denn sie war ganz offensichtlich nicht Lilith Lancaster, die er in der Nacht aus der Paddington Street fortgebracht hatte.
    *
    Marsha klammerte sich an den heißen Kaffeebecher, als wäre er der letzte Halt für sie in dieser Welt. Duncan saß ihr stumm gegenüber und konnte kaum den Blick von ihr wenden.
    Er war getäuscht worden. Etwas hatte ihn dieses Mädchen in der Nacht mit falschen Augen sehen lassen. Hatte ihn dazu gebracht, es für jene zu halten, für deren Schutz er verantwortlich war. Und er war darauf hereingefallen, hatte sich blenden lassen von der Larve des Bösen, die erst hier, im Hause des Herrn und auf geweihtem Boden, von Marsha abgefallen sein mußte - nachdem Duncan eingeschlafen war .
    »Was Sie da von sich geben, klingt verdammt irre«, sagte Marsha über den Rand ihres Bechers hinweg. Sie sah verloren aus in der zu weiten Kleidung, die Duncan ihr gegeben hatte.
    Er nickte lahm. »Ich weiß.«
    »Aber es paßt zu dem, was Lilith mir erzählt hat«, fuhr Marsha fort.
    Der junge Priesteranwärter wußte kaum noch, was er dem Mädchen im einzelnen berichtet, wie er ihre Anwesenheit hier zu erklären versucht hatte. Er wußte nur, daß er einen Haufen wirres Zeug dahergeredet haben mußte. Wenn sie einen Sinn darin sah - um so besser.
    »Was hat sie denn erzählt?« fragte er.
    »Na ja ...«, begann Marsha, und dann bemühte sie sich, halbwegs detailgetreu wiederzugeben, was Lilith ihr am vorigen Abend gesagt hatte. Es fiel ihr schwer, sich an alles zu erinnern. Alles schien so irreal, daß es sich oft kaum in Worte fassen ließ.
    »Verstehen Sie das?« fragte sie Duncan schließlich.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Nein. Aber ich fürchte, ich kenne den Grund, weshalb man mich mit dir abgelenkt hat«, erklärte er tonlos.
    »Warum?«
    »Damit jene Macht, die hinter all dem steckt, ungehindert ihrem Tun nachgehen konnte. Aber vielleicht ist es ja noch nicht zu spät.« Duncan stand auf.
    »Wo gehen Sie hin?« fragte Marsha.
    »Na, wohin wohl?« erwiderte Duncan Luther. »Zurück in die Paddington Street.«
    »Können Sie Hilfe brauchen?«
    Duncan zuckte die Schultern und lächelte verunglückt. »Jede, die ich kriegen kann.«
    *
    »Wie kommt ihr hierher? Und was wollt ihr?« Lilith sah von einem zum anderen. Von Nick Parker zu Landru .
    Sie kannte beide. Und wußte,

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