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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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wovon ich redete. Er erwiderte starrsinnig: »Aus den Schriften weiß ich, dass es gefährlich ist, einen, in welchem die Gabe stark ist, ohne Schulung zu lassen. In manchen Fällen haben solche Uneingeweihten fast instinktiv begonnen, von der Gabe Gebrauch zu machen, doch ohne Vorstellung von der Gefahr oder wie man sie beherrscht. Nach meiner Meinung dürfte selbst eine lückenhafte Ausbildung besser sein, als den Prinzen in völliger Unwissenheit zu lassen.«
    Ich setzte zum Sprechen an, dann ließ ich es bleiben, holte stattdessen tief Atem und stieß ihn langsam wieder aus. »Ich lasse mich da nicht hineinziehen, Chade. Ich bleibe bei meinem Nein. Vor Jahren habe ich mir selbst ein Versprechen gegeben. Ich saß neben Will und sah zu, wie er starb. Ich habe ihn nicht getötet. Weil ich mir geschworen hatte, dass ich nicht länger ein Meuchelmörder sein wollte und kein Werkzeug mehr. Ich lasse mich nicht manipulieren, und ich lasse mich nicht benutzen. Ich habe genug Opfer gebracht. Ich finde, ich habe mir diesen Ruhestand verdient. Und falls ihr – du und Kettricken – gegenteiliger Meinung seid und keine Lust mehr habt, mir eine Rente zu zahlen, nun, auch damit kann ich leben.«
    Gut das einmal ausgesprochen zu haben. Als ich zum ersten Mal nach einem Besuch Merles einen Beutel mit Münzen neben meinem Bett fand, war ich beleidigt gewesen. Ich hätschelte den Groll monatelang, bis sie mich wieder besuchte. Sie hatte nur gelacht und erklärt, es handele sich nicht etwa um eine Vergütung von ihr für meine Dienste, sondern um eine von den Sechs Provinzen an mich gezahlte Rente. Das war der Moment, in welchem mir klar wurde, dass alles, was Merle von mir wusste, auch Chade erfuhr. Er war auch der Spender des Schreibpapiers und der Tinten, die sie manchmal mitbrachte. Wahrscheinlich erstattete sie ihm jedesmal nach ihrer Rückkehr Bericht. Ich hatte mir vorgemacht, dass es mich nicht störte, doch heute fragte ich mich, ob während all der Jahre der Beobachtung aus der Ferne, Chade auf den Tag gewartet hatte, an dem ich wieder von Nutzen sein konnte. Mein Gesicht muss ihm verraten haben, was mir durch den Kopf ging.
    »Fitz, Fitz, beruhige dich.« Der alte Mann beugte sich vor und tätschelte beschwichtigend meine Hand. »Davon kann überhaupt nicht die Rede sein. Wir sind uns beide vollauf bewusst, was nicht nur wir dir schulden, sondern was das ganze Reich dir schuldig ist. Solange du lebst, werden die Sechs Provinzen für dein Auskommen sorgen. Was die Ausbildung des Prinzen angeht, so denk nicht mehr daran. Es ist im Grunde nicht dein Problem.«
    Wieder einmal fragte ich mich voller Unbehagen, wie viel er wusste. Dann nahm ich mich zusammen. »Wie du sagst, es ist im Grunde nicht mein Problem. Ich kann nichts weiter tun, als dich bitten, vorsichtig zu sein.«
    »Ach, Fitz, hast du mich je anders erlebt?« Über den Rand des Bechers lächelten seine Augen mich an.
    Ich bemühte mich redlich, nicht mehr an seinen Vorschlag zu denken, doch es war, als versuchte man einen Baum mit den Wurzeln auszureißen. Zum Teil bewegte mich Sorge, dass Chades laienhafte Unterweisung des jungen Prinzen ein böses Ende nehmen könnte. Doch der wahre Reiz des Gedankens, eine neue Kordiale auszubilden, lag darin, dass es mich in die Lage versetzen würde, mein eigenes Verlangen zu stillen. Nachdem ich mir dessen bewusst war, konnte ich nicht guten Gewissens eine neue Generation mit dieser Sucht infizieren.
    Chade hielt sein Versprechen. Die Gabe und ihre Wissenschaft wurden mit keinem Wort mehr erwähnt. Stattdessen schwatzten wir stundenlang über all die Leute, die ich früher in Bocksburg gekannt hatte und was aus ihnen geworden war. Blade war Großvater geworden. Lacey litt unter schmerzenden Gelenken, die sie gezwungen hatten, mit ihrer endlosen Spitzenknüpferei aufzuhören. Flink war jetzt Stallmeister auf der Burg. Er hatte eine Frau aus dem Landesinneren genommen, mit flammend rotem Haar und dem entsprechenden Temperament. Alle ihre Kinder waren rothaarig. Sie hielt Flink an der kurzen Leine, und Chade behauptete, er sei glücklich dabei. Neuerdings bedrängte sie ihn, mit ihr nach Farrow zurückzukehren, woher sie gebürtig war, und er schien ihr nachgeben zu wollen. Deshalb hatte Chade die Reise zu Burrich mit dem Angebot, seine alte Stellung wieder einzunehmen, unternommen. Schicht um Schicht löste er die Verhornungen von meinen Erinnerungen und rief mir die Gesichter von früher ins Gedächtnis zurück Die

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