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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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verärgert, halb belustigt. Das Ausmaß ihrer Anteilnahme erstaunte mich, und ich verspürte einen Stich der Eifersucht. War Harm nicht mein Ziehsohn, und um ihn besorgt zu sein, meine Aufgabe? Während sie redete, stellte sie mir eine Tasse hin, goss Tee ein, nahm das Strickzeug zur Hand und setzte sich. Nachdem sie die Nadeln herausgezogen und die Maschen geordnet hatte, schaute sie mich an und zum ersten Mal seit ich an ihre Tür geklopft hatte, trafen sich unsere Blicke. Sie stutzte, beugte sich weiter vor, und ihre Augen forschten in meinem Gesicht.
    »Oh, Tom!«, rief sie teilnahmsvoll. »Du Ärmster, was ist dir zugestoßen?«
    Leer wie ein hohler Stamm, nachdem die Mäuse gefressen sind.
    »Mein Wolf ist tot.«
    Ich war erschüttert, mich das Furchtbare so lapidar aussprechen zu hören. Jinna schwieg, sah mich nur an. Sie konnte es nicht verstehen. Ich erwartete nicht, dass sie es verstand. Dann aber, als ihr hilfloses Schweigen dauerte, begann ich zu glauben, sie könnte es vielleicht doch verstehen, denn sie nahm keine Zuflucht zu leeren Worten. Unvermittelt ließ sie das Strickzeug in den Schoß sinken, beugte sich über den Tisch und legte mir die Hand auf den Arm.
    »Wirst du darüber hinwegkommen?« Es war keine Floskel, sie wartete mit aufrichtiger Anteilnahme auf meine Erwiderung.
    »Mit der Zeit«, antwortete ich, und zum ersten Mal gestand ich mir ein, dass es so war. Auch wenn es sich anfühlte wie Verrat, ich wusste, irgendwann würde die Wunde heilen. Und in diesem Moment spürte ich zum ersten Mal, was Rolf Schwarzbart versucht hatte, mir zu erklären. Der wölfische Teil meiner Seele regte sich und: Ja, du wirst darüber hinwegkommen, und das ist, wie es sein soll, hörte ich fast so deutlich, als hätte Nachtauge es wirklich zu mir gedacht. Wie Erinnerung, aber inniger, hatte Rolf es beschrieben. Ich saß still, rührte mich nicht und ergab mich dem Gefühl. Dann war es vorüber, und ich fröstelte.
    »Trink deinen Tee, es sieht aus, als wäre eine Erkältung im Anzug.« Jinna griff in den Scheiterkorb und warf ein neues Stück Holz ins Feuer.
    Ich befolgte ihren Rat. Als ich die Tasse absetzte, fiel mein Blick auf eins Amulett über dem Kaminsims. Der unstete Flammenschein tauchte die Perlen abwechselnd in Gold und Schatten. Gastfreundschaft. Der Tee war heiß und süß und tröstlich, der Kater schnurrte auf meinem Schoß, und eine Frau schaute mich freundlich an. Lag es nur an der Wirkung des Amuletts an der Wand? Wenn es so war, mir sollte es Recht sein. Die gespannte Feder in meinem Innern löste sich um eine weitere Raste. Die Katze kraulen, steigert das Wohlbefinden, verkündete Finkel selbstgefällig.
    »Es wird dem Jungen das Herz brechen, wenn er das hört. Er wusste, der Wolf würde nicht hierbleiben. Als er verschwand und einfach nicht wiederkam, machte ich mir Sorgen, aber Harm sagte zu mir, hab keine Angst, er ist zu Tom gelaufen. Oh, mir graut vor dem Moment, wenn du es ihm sagen musst.« Plötzlich schien sie sich selbst zur Ordnung zu rufen. Sie verstummte einen Moment, dann erklärte sie resolut: »Aber auch er wird darüber hinwegkommen mit der Zeit. Er ist ein guter Junge, auch wenn er noch immer nicht den Heimweg gefunden hat. Was wirst du tun, um ihn Mores zu lehren?«
    Ich dachte an mich selbst, vor all den vielen Jahren, und an Veritas und sogar an Pflichtgetreu, von seinem eigenen Namen beim Wort genommen. Ich dachte an die vielen Arten und Weisen, wie Pflicht uns geformt, uns versklavt und unsere Herzen in Ketten gelegt hatte. Richtig, der Schlingel sollte zu Hause sein, in seinem Bett und schlafen, um morgen in der Frühe ausgeruht bei seinem Meister zu erscheinen. Lehrjahre sind keine Herrenjahre, und seine Zukunft war längst noch nicht gesichert. Es stand ihm nicht zu, mit Mädchen anzubandeln. Ich konnte ihn ins Gebet nehmen und ihn an seine Pflichten erinnern. Er würde auf mich hören. Aber Harm war kein Königssohn, nicht einmal ein königlicher Bastard. Harm durfte frei sein. Ich lehnte mich zurück und der Stuhl schaukelte sacht. Geistesabwesend begann ich den Kater zu streicheln. »Nichts«, sagte ich. »Ich glaube, ich werde gar nichts tun. Ich glaube, ich werde ihm seine Torheiten gönnen. Soll er sein Herz verlieren und länger draußen bleiben als erlaubt und morgen Blut und Wasser schwitzen, wenn er zu spät kommt und von seinem Meister mit einem Donnerwetter empfangen wird.« Ich wandte den Kopf, um Jinna anzuschauen. Der Feuerschein tanzte über ihr

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