Die Zweitfrau
so viel wie möglich von seinem Werkzeug in die neue Wohnung bringen, bevor er in die Klinik geht. Und er will auch so viel wie möglich entsorgen, teils an die Kinder weiter geben, oder aber sich endgültig von einigen Dingen trennen. Es ist unglaublich, was er noch leistet. Ohne viel Aufheben und in der für ihn so gewohnten Art erledigt er alles, was er sich vorgenommen hat.
Am 16. Februar fahren wir das letzte Mal zur Chemo nach Essen. Alles ist wie immer, das Wetter ist mies, es schneit, wir fahren mitten in der Nacht los und sind rechtzeitig da. Ich setze Peter ab und fahre weiter zu meiner Freundin. Am Samstag soll ich Peter wieder abholen. Diesmal ist doch etwas anders, denn nun - nach der Chemo - soll entschieden werden, wie es weiter gehen wird. Darauf sind wir gespannt.
In der Nacht von Freitag auf Samstag - also unserem Rückreisetag - fängt es an wie wild zu schneien. So etwas haben die Menschen im Ruhrgebiet schon sehr lange nicht mehr erlebt. Ich fürchte mich richtig vor der Fahrt. Aber es bleibt mir natürlich nichts übrig als zu fahren. Der Schnee liegt auf der vereisten Straße und ich fahre mit 40 km/h bis zur Autobahn. Ab da wird es ein wenig besser - wenn man auch nicht sagen kann, dass es gut ist. Bevor ich losfahre, rufe ich noch bei Peter an und ich sage ihm, dass ich beim besten Willen nicht weiß, wann ich eintreffen werde. Er ermahnt mich vorsichtig zu fahren, nichts erzwingen zu wollen, er wird auf jeden Fall in Ruhe auf mich warten. Besser spät, als gar nicht ankommen.
Mir fällt ein Stein vom Herzen als ich Essen erreiche. Nun muss ich mich nur noch durch die Vorstadt quälen, dann durch ein wenig besiedeltes Gebiet, bis zur Klinik kommen und bin völlig fertig, als ich die Strecke endlich hinter mir habe. Peter ist doch schon nervös geworden, habe ich doch wesentlich länger gebraucht als sonst und auch als gedacht. Und auch wenn er damit gerechnet hat, dass ich später kommen werde, so hat sich die Zeit bis zu meinem Eintreffen doch erheblich hingezogen. Die Erleichterung ist ihm anzusehen, als ich sein Zimmer betrete.
„ Du Arme, das ist ja heute teuflisch mit dem Schnee. Die Schwestern und Pfleger erzählen hier alle, dass sie so etwas noch nicht erlebt haben. Ich hab doch etwas Angst um dich gehabt.“
„Ach“, winke ich ab, „ du weißt ja, ich fahre schon wie der Teufel, wenn es geht. Aber bei so einem Wetter bin auch ich gerne vorsichtig. Bin ja nicht verrückt.“
Wir packen seine Sachen und fahren sofort los. Wie immer fährt er, denn das lässt er sich nicht nehmen. Er behauptet immer, die Fahrerei macht ihm nichts aus. Mittlerweile hat es wieder zu schneien begonnen und auf der Autobahn kommen die Räumfahrzeuge mit ihrem Dienst nicht mehr nach. Wir stehen im Stau, stundenlang. Kaum haben wir den einen Stau überwunden, fahren wir schon in den nächsten. Es ist grauenvoll. Immerhin gibt uns dies Gelegenheit darüber zu sprechen, was der Arzt nun gesagt hat, nachdem die Chemo abgeschlossen ist.
„Der Tumor ist nicht kleiner geworden, aber das ist wohl auch nicht Sinn der Chemo gewesen. Wir sind also mit unserer Vermutung falsch gelegen. Der Grund für die Chemo ist, dass er nicht weiter wachsen soll, sich nicht ausbreitet, bis die Ärzte sich einig sind, ob eine OP bei mir sinnvoll ist“, so erklärt mir Peter.
„Und jetzt, was ist jetzt geplant?“
„Jetzt haben sie sich dazu entschlossen - wohl auch weil ich körperlich so gut beieinander bin -, doch zu operieren. Weißt du, eigentlich operieren sie jemanden in meinem Alter nicht mehr. Der Körper braucht nach der OP einfach zu viel Kraft zum Regenerieren. Die meisten Menschen sind in meinem Alter körperlich bereits zu sehr abgearbeitet. Hier kommt mir sicher mein Laufen zugute. Mein Gewicht ist nicht hoch, ich bin durchtrainiert und ansonsten kerngesund. Und so hat mir die Ärztin gesagt, dass eine OP möglich ist.“
„Wann haben sie vor zu operieren?“
„Zwischen Chemo und OP sollen mindestens 6 Wochen liegen, damit der Körper bis dahin die Chemo verarbeitet hat. Die Ärzte haben den Termin also auf den 20. März gelegt. Ich habe natürlich sofort zugestimmt. Mir ist das s ehr angenehm, denn so habe ich noch Zeit, all das zu regeln, was mir wichtig ist.“
„Was gibt es denn noch zu tun?“, ist meine Frage an ihn.
Ich kann mir gar nicht vorstellen, was er jetzt noch alles machen will.
„Na ja, ich werde die Kinder alle gleichzeitig einladen und mit ihnen besprechen, wie ich mir im
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