Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zweitfrau

Die Zweitfrau

Titel: Die Zweitfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Ploetz
Vom Netzwerk:
nächsten Tag beginnt sich der Bauchraum erneut zu füllen. Und noch bevor wir die Diagnose des Arztes kennen, muss Peter erneut punktiert werden. Dann erst erfahren wir, dass der Tumor mittlerweile das Bauchfell erreicht hat und sich deshalb dort Wasser bildet. Offensichtlich eine Art Versuch des Körpers sich selbst zu helfen. Nun rät ihm der Arzt zu einer leichten Chemo, damit sich die Bildung des Wassers verlangsamt. Und es wird Peter mitgeteilt, dass die Punktion nicht ambulant gemacht werden kann. Dazu ist die Klinik nicht groß genug, hat einfach nicht genug Kapazitäten. Es bleibt uns nichts anderes übrig als uns nach einem Arzt umzuschauen, der die Punktion regelmäßig übernimmt. Zunächst jedoch soll noch beobachtet werden, wie schnell sich Wasser bildet und mit der leichten Chemo soll sofort begonnen werden.
    Wer kann, besucht Peter im Krankenhaus. Es ist immer jemand da, der bei ihm sitzt. Fast könnte man sagen, es geht an seinem Bett zu wie auf einem Amt. Aber es gefällt ihm natürlich, dass sich so viele Menschen um ihn kümmern. Auch er ist nun an dem Punkt angekommen, wo ihm endgültig klar ist, dass es zu Ende geht, dass keine Hoffnung mehr besteht. Mir hat er das nicht gesagt, aber meine Schwester ruft mich eines Abends, nach einem Besuch bei ihm an und erzählt mir, was Peter gesagt hat:
    „Ich habe gehofft, wenn ich wieder zu Kräften komme, kann ich es vielleicht noch schaffen. Aber ich glaube nicht mehr, dass ich noch zu Kräften kommen werde.“
    Susanne hat ihm zugestimmt, nein, das würde sicher nicht mehr geschehen und beide haben eine Weile miteinander geweint.
    Jeder Besuch wir d für jeden für uns zur Qual. Wir sehen alle, wie Peter immer weniger wird, wie er mehr und mehr Gewicht verliert. Die Hände sind mittlerweile so zart, dass man an Spinnenbeine erinnert wird. Die Füße scheinen, wie bei einem jungen Hund, viel zu groß für diesen Körper. Die Augen wirken riesig im schmalen, fast ausgemergelten Gesicht. Und wenn man betreten vor sich hinschaut, stupst Peter einen an und sagt:
    „Noch lebe ich!“
    Ist das noch Leben? Wer kann das beantworten? Wir nicht, er vielleicht noch am ehesten.
    Wir haben uns immer gewünscht, dass Peter daheim sterben darf. Es ist mir klar, dass das nicht leicht werden wird für mich. Sicher eine große Belastung werden wird, aber ich will ihn nicht einfach weggeben oder gar „abschieben“. Drei Tage bevor Peter aus der Klinik entlassen wird, teilt er mir jedoch mit, dass eine Sozialarbeiterin ihn aufgesucht und mit ihm über die nähere Zukunft gesprochen hat. Sie ist es, die ihm gesagt hat, dass es nicht möglich sein wird, daheim zu bleiben. Nicht, dass sie mir das nicht zutraut, sie kennt mich ja auch nicht. Der Tumor bildet im Bauchraum Wasser und Peter wird laufend punktiert werden müssen. Kein Arzt macht dies zu Hause und Peter wird immer in eine Praxis oder auch Klinik gehen müssen, um dort ambulant punktiert zu werden. Sie sieht keine Chance, dass das so gehen wird, wie wir uns das gewünscht haben
    Und sie fragt ihn, ob er sich nicht vorstellen kann, in ein Hospiz zu gehen. Dort sei jederzeit ein Arzt erreichbar, die Familie kann immer zu Besuch kommen, dort gegebenenfalls auch übernachten. Ja es ist sogar möglich, ein zweites Bett in seinem Zimmer aufzustellen. Sie hat auch gleich Broschüren von zwei in Frage kommenden Hospizeinrichtungen für Peter dabei. Die sie ihm überlässt. Nun kann er sich damit in Ruhe befassen. Sie will am nächsten Tag wiederkommen und kann dann eventuell auch den Erstkontakt herstellen, damit wir uns Zimmer und die Gegebenheiten anschauen können.
    Als ich ihn am nächsten Tag besuche, spricht er das Thema an. Ich bin zunächst entsetzt. Peter setzt mir auseinander, dass wir diese Bürde nicht mehr alleine stemmen können. Ich bin wie erstarrt, nicht fähig etwas zu sagen. Ich fühle nur einen unglaublichen Schmerz. Möchte aufspringen, alles um mich herum zerschlagen, schreien, wüten, was auch immer. Aber ich sitze da, fassungslos und klammere mich krampfhaft an seine Hand. Natürlich verstehe ich die Argumente vom Verstand her, aber mein Herz kann nicht verstehen. Verstand und Herz müssen erst „verbunden“ werden. Und der Weg dazwischen ist weit, so furchtbar weit.
    Letztendlich entscheide ich mich dafür, dass es das Wichtigste ist das zu tun, was Peter will. Und so frage ich ihn:
    „Willst du das wirklich?“
    „Weißt du“, antwortet er mir, „es ist nicht das, was wir uns gewünscht

Weitere Kostenlose Bücher