Die Zweitfrau
plötzlich seinen Kopf entgegen. Er will sich nicht mehr alleine waschen und zeigt mir das so. Von diesem Tag an wasche ich ihn also komplett, was kein Problem ist. Wie er mir das allerdings „mitgeteilt“ hat, ohne Worte, finde ich schon witzig. Langsam kommt er mir vor wie mein Kind, für das ich verantwortlich bin. Das stört mich nicht, ich sehe das lediglich als einen weit eren Schritt dem Ende entgegen.
Kapitel 4
Es fügt sich so, dass Marlies ihn an dem Tag besucht, an dem auch die Wiener kommen. Es wird also ein extrem anstrengender Tag für Peter. Marlies kommt am frühen Nachmittag und am späten Nachmittag treffen die Freunde ein, die ich von der Bahn abhole. So bleibt Peter also nur wenig Zeit sich zu erholen. Denn natürlich führt der erste Weg von Karla und Frieder zu Peter. Dieser gibt alles, was möglich ist, setzt sich im Bett auf, unterhält sich mit ihnen, lacht sogar über Erzählungen. Es ist wichtig für ihn, die Beiden noch einmal zu sehen. Sie haben ihn ein langes Leben begleitet und die Freundschaft ist sehr wertvoll für ihn. Er erzählt beiden von dem neuen Auto. Auch mit den Kindern hat er mittlerweile gesprochen. Die haben kein Problem damit, dass ich dieses Auto fahren werde. Peter gibt zu bedenken, dass ich das neue Auto lange ohne Probleme fahren kann. Und ich sage, dass ich das Auto sicher die nächsten 15 Jahre fahren und anschließend kein anderes Auto mehr brauchen werde. Daraufhin schaut mich Peter mit großen, erschrockenen Augen an und fragt:
„Solange muss ich auf dich warten? Fünfzehn Jahre?“
„Tja mein Lieber“, antworte ich, „da kannst du dann mal sehen, wie sich das hinziehen kann.“
Karla und Frieder merken, dass Peter erschöpft ist und bitten darum ins Hotel zu fahren. Es ist auch für sie ein langer Tag gewesen, schon wegen der Bahnfahrt. Und so verabschieden sie sich von Peter und ich bringe sie ins Hotel. Anschließend fahre ich erneut ins Hospiz, um Peter beim Duschen zu helfen. Auf der Fahrt ins Hotel schweigen wir lange. Zu groß ist der Schock des Wiedersehens bei den Beiden. Es ist doch erst ein knappes Jahr her, dass wir dort gewesen sind und es Peter so gut gegangen ist. Dass er noch Fahrradtouren mitmachen konnte, die langen Abende auf der Terrasse sitzen konnte. Alles mitgemacht hat. Sich einfach wohl gefühlt hat. Sie sind fassungslos. Es ist eine trostlose Stimmung im Auto. Ich setze die beiden am Hotel ab und wir verabreden, dass sie am kommenden Morgen zu mir kommen werden, ein Fußweg von fünf Minuten, und wir dann gemeinsam ins Hospiz fahren werden. Als ich im Hospiz ankomme, hat es mittlerweile Abendessen gegeben und ich helfe Peter, sich „bettfein“ zu machen. Wir sprechen über den Besuch der Wiener, wie sehr es seiner Seele gut tut, dass sie gekommen sind. Er sieht es als eine Wertschätzung seiner Person an und das gefällt ihm natürlich. Ich sitze noch eine Weile bei ihm, bevor auch ich mich auf den Heimweg mache. Auf der Fahrt geht mir durch den Kopf, dass es täglich schlimmer wird mit ihm, dass er sich immer elender fühlt.
Am kommenden Morgen kommen die Freunde zur verabredeten Zeit und wir machen uns, nachdem sie die Wohnung besichtigt haben, auf den Weg zu Peter. Wir sitzen den ganzen Tag bei ihm, denn es ist ein „schlechter“ Tag für ihn. Offensichtlich ist der vorherige Tag zu anstrengend gewesen, was sich nun rächt. Dennoch, er will - wie es geplant ist - am Abend mit uns gemeinsam essen gehen in dem Hotel, in dem die Beiden Quartier bezogen haben. Zunächst sieht es so aus, als könnte Peter gar nicht mit, aber er zeigt wieder einmal seinen eisernen Willen, zieht sich an und wir starten zu dem Hotel. Ich habe einen Tisch reserviert und wir nehmen Platz. Peter sitzt wie ein Häufchen Elend mit am Tisch, atmet schwer, es geht ihm gar nicht gut. Nachdem das Essen serviert ist, schlagen wir ihm vor, doch hinauf ins Zimmer der Beiden zu gehen und sich etwas hinzulegen.
„Ach, das ist nicht nötig, es geht schon“, wehrt er zunächst ab. Kurze Zeit später jedoch gibt er nach und Frieder bringt ihn nach oben.
Und so sitzen wir drei allein da, während Peters Suppe - mehr hat er sich gar nicht bestellt - langsam kalt wird. Die Stimmung am Tisch ist sehr gedämpft
Als Peter wiederkommt, hat er auch keinen Hunger, will nur noch ins Hospiz zurück. Also verabschieden wir uns von den Beiden und ich bringe ihn wieder „nach Hause“. Das Hospiz ist mittlerweile sein „Zuhause“ geworden. Nachdem ihm der Abschied
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