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Die Zweitfrau

Die Zweitfrau

Titel: Die Zweitfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Ploetz
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dass er nun seine letzte Station erreicht hat.
    „Nein, hab ich noch nicht machen können, ich hab sie nicht erreicht. Ich versuche es heute wieder. Du weißt ja, die sind immer unterwegs mit dem Rad. Ich muss also heute Abend anrufen, oder sehr früh am Morgen. Aber ich vergesse das nicht, keine Sorge.“
    Hin und wieder macht er die Augen zu, entschuldigt sich immer wieder dafür, obwohl ich ihm sofort sage, dass es mir nichts ausmacht, wenn er ein wenig schläft.
    „Schlafen kann ich bald lange genug, das muss jetzt nicht sein, wenn du noch da bist.“
    Als es Zeit wird für das Mittagessen begleite ich ihn bis zum Speisesaal wo ich mich von ihm mit dem Versprechen verabschiede am Nachmittag wieder zu kommen.
    Ich fahre also nach Hause und versuche, Karla und Frieder zu erreichen. Und ich habe Glück, sie sind da:
    „Was gibt es?“ werde ich von ihr gefragt und ich teile ihr mit, dass Peter nun im Hospiz ist. Erkläre auch, dass es nicht anders möglich ist, weil eben das Wasser immer wieder punktiert werden muss.
    Beide sind entsetzt über die Entwicklung, fassen jedoch sehr schnell ihren Entschluss.
    „Hör mal, wir kommen, um Peter zu besuchen. Wir geben dir Bescheid, denn wir werden mit dem Zug kommen und geben dir die Ankunftszeit durch. Vielleicht kannst du uns abholen? Ich rufe heute am Abend wieder an. Richte Peter bitte liebe Grüße von uns aus. Wir hören.“
    Nach dem Telefonat lege ich mich sofort hin und falle in einen unruhigen Schlummer. Als ich aufstehe, bügele ich noch schnell einige Wäschestücke von Peter, damit ich sie mitnehmen kann.
    Peter freut sich sehr, dass sich die Wiener die Mühe machen wollen, ihn noch einmal zu besuchen. Er trägt mir auf, mich um eine Unterkunft für sie zu kümmern. Und selbstverständlich will er diese auch bezahlen. Es kommt gar nicht für ihn in Frage, dass die Freunde den weiten Weg auf sich nehmen und dann ihr Hotelzimmer selbst bezahlen sollen.
    Der Nachmittag geht schnell vorüber und ehe ich mich versehe, ist es Zeit für das Abendessen. Wir gehen beide in den Speisesaal, wo bereits zwei weitere Bewohner des Hospizes sitzen. Obwohl das Haus voll besetzt ist, kommen die meisten nicht mehr zum Essen in den Speisesaal. Sie sind dazu nicht mehr in der Lage, nehmen ihr Essen in ihren Zimmern ein. Da auch das Personal mit am Tisch sitzt, wird viel geredet. Es geht geradezu lustig zu. Viele Themen werden angeschnitten, über Kochrezepte, Kinofilme, Strick- oder Häkelmuster. Nur über ein Thema wird in der ganzen Zeit nicht einmal geredet: über den Tod oder das Sterben. Alle wissen, dass hier Endstation für sie ist. Aber es wird nicht darüber gesprochen. Nachdem wir gegessen haben, will Peter wieder in sein Zimmer. Dort angekommen fragt er:
    „Hilfst du mir beim Duschen? Ich hab heute am Morgen gemerkt, wie sehr mich das anstrengt. Ich bin anschließend fix und fertig gewesen.“
    Und so stehen wir kurze Zeit später im Badezimmer und ich seife ihm den Rücken ein. Und da sein Bauch mittlerweile wieder vom Wasser so dick ist, dass er sich nicht mehr bücken kann, wasche ich auch seine Beine und Füße. Er bietet einen jammervollen Anblick. Ich kann jede Rippe erkennen, jeder Knochen, der die Möglichkeit hat, irgendwo hervorzustechen, tut dies auch. Das Duschen strengt ihn sehr an und so setzt er sich für einen Moment zum Ausruhen auf die Bettkante, nachdem ich ihn abgetrocknet habe. Dann creme ich ihn ein, damit er keine offenen Stellen am Körper bekommt. Ganz zum Schluss nehme ich eine Portion der Crème in meine Hände, verreibe sie dort. Peter hält mir seine Hände hin, ich schmiere die Crème auf seine Hände und damit cremt er dann sein Gesicht ein. Ich helfe ihm in seinen Schlafanzug und er ist fertig für die Nacht. Artig bedankt er sich. So als wäre es etwas Besonderes, dass ich ihn versorge. Wir unterhalten uns noch eine Weile und dann gehe ich nach Hause. Als ich mich verabschiede, frage ich ihn:
    „Bist du morgen noch da?“
    „Ja natürlich, ich werde da sein.“
    Ich winke ihm nochmal zu und verlasse das Hospiz.

Kapitel 3

    So vergeht die erste Woche im Hospiz und ich denke hin und wieder so könnte ich es noch hundert Jahre aushalten.
    Es ist eine schöne Zeit, denn ich habe endlich wirklich Zeit für ihn. Ich kann, wenn ich ihn besuche, gar nichts anderes machen, als mich intensiv um ihn zu kümmern. Alles andere muss warten, bis ich wieder daheim bin. Nichts kann unser Zusammensein stören. Und wir unterhalten uns noch viel. Es

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