Die Zweitfrau
Uhr statt. Ich kann jederzeit zum Essen da bleiben, kein Problem. Auch wenn ich über Nacht bleiben will, ist das machbar. Es ist ein freundliches Gespräch, es wird sogar ein wenig gelacht und ich merke, dass es Peter hier gefällt. Wenn man in dem Moment überhaupt noch von „gefallen“ reden kann.
Ich bleibe an diesem Tag lange da. Vor dem Essen wird an die Zimmertür geklopft, eine Schwester betritt den Raum, bewaffnet mit einem wunderschönen Blumenstrauß , der für Peter abgegeben worden ist. Seine Tochter und der Schwiegersohn haben ihn geschickt mit vielen lieben Grüßen. Peter freut sich sehr.
„Meine Tochter eben“, sind seine Worte.
Zum Mittagessen werden wir geholt, ich esse mit - dann gehen wir für eine kleine Weile spazieren. Nur einmal um den Block. Und gegen 17.00 Uhr sagt mir Peter, dass ich jetzt beruhigt nach Hause gehen kann. Wir machen aus, dass ich am kommenden Tag zwischen 9.00 und 9.30 Uhr wieder da sein werde.
Ich fahre also nach Hause. Unterwegs fällt eine Last von mir ab. Ich fühle mich frei. Die Angst die ich immer gehabt habe, dass etwas passieren wird, und ich nicht helfen kann oder zu spät merke, dass etwas Ernstes ist, fällt von mir ab. Nun haben diese Menschen die Verantwortung und ich bin sicher, sie können sie sehr gut tragen. Sehr viel besser als ich.
Als ich unsere Wohnung betrete, kommt mir unsere Mieze miauend entgegen. Sie mauzt kläglich, sucht nach Peter, läuft zu seinem Zimmer, das geschlossen ist, dreht sich nach mir um, mauzt wieder. Ich gehe also zu ihr, öffne die Tür, damit sie einen Blick hineinwerfen kann. Sie dreht eine Runde durch das Zimmer und verlässt es dann wieder. Irgendwie wirkt sie niedergeschlagen. Ich telefoniere mit Peters Tochter, seinem Sohn, meiner Schwester. Es ist das erste vieler Telefonate, die zwischen uns geführt werden in der kommenden Zeit.
Früh gehe ich zu Bett, ohne den gewünschten Schlaf zu finden. In meinem Kopf jagen die Gedanken wie Ameisen hin und her. Ich finde einfach keine Ruhe. Mit einem Ohr lausche ich ständig, damit ich gegebenenfalls das Telefon nicht überhöre, wenn das Hospiz anruft. Als ich endlich einschlafen kann, ist es ein unruhiger Schlaf, voll mit wirren, beängstigenden Träumen. Ich wache schweißgebadet auf und kann keinen erneuten Schlaf finden. Also stehe ich auf - es ist wieder mitten in der Nacht - und beginne zu bügeln. Man hat mir im Hospiz gesagt, dass ich nichts mehr machen muss. Peters Wäsche kann dort gewaschen und auch gebügelt werden. Aber das ist das Letzte, was ich für ihn tun kann. Alles andere ist mir jetzt aus der Hand genommen worden, worüber ich natürlich froh bin, aber dies will ich nicht aus der Hand geben. Seltsamer Gedankengang, aber das scheint mir wichtig.
Kapitel 2
Pünktlich um 9.30 Uhr betrete ich Peters Zimmer. Er ist schon gewaschen, rasiert und angezogen, liegt auf seinem Bett. Ich frage ihn, wie die Nacht gewesen ist, wie er geschlafen hat. Es geht ihm gut, das sehe ich.
„Morgen kommt der Arzt, worüber ich froh bin. Schau mal, wie dick mein Bauch schon wieder ist.“
Mit diesen Worten hebt er sein T-Shirt hoch und zeigt es mir.
„Es wird höchste Zeit für eine Punktion. Bis jetzt kann ich noch essen, ohne dass alles wieder rauskommt, aber lange wird das nicht mehr gehen.“
Er fragt mich, ob wir ein wenig spazieren gehen können und natürlich stimme ich zu. Er geht zum Schrank, holt seine Jacke, zieht sich die Schuhe an und es kann losgehen. Zunächst natürlich melden wir uns ab. Wir gehen recht flott, wie es mir scheint und ich frage ihn:
„Müssen wir eventuell einen Zug erreichen?“
Lachend antwortet Peter:
„Wenn es dir zu schnell ist, dann können wir gerne langsamer laufen. Du bist ja auch nicht mehr die Jüngste.“
Überall in der Gegend wird gebaut. Es ist ein Hämmern, Sägen und Klopfen. Die Arbeiter wuseln umher. Peter, der für handwerkliche Arbeit immer ein Auge hat, schaut überall, was gemacht wird. Aufmerksam verfolgt er das Treiben, erklärt mir, was die einzelnen Arbeiter da machen. Da ich weiß wie wichtig ihm das ist, höre ich also zu und stelle Fragen. Und dann plötzlich verliert er das Interesse an dem Tun und wir gehen weiter. Nun geht der Weg leicht bergan und so wird Peter von ganz alleine langsamer. Die Luft wird ihm knapp, es strengt ihn doch sehr an. Kaum wieder im Zimmer angekommen, legt er sich auch sogleich ins Bett. Wir unterhalten uns und er fragt mich, ob ich den „Wienern“ Bescheid gegeben habe,
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