Die Zwerge
schieben.
»Boїndil, nein!«
Der warnende Ruf seines Bruders brachte ihn dazu, in seinem Tun inne zu halten. »Was denn?«, fauchte er unfreundlich. Sein Magen knurrte und rebellierte gegen die Vernachlässigung. »Du störst mich beim Essen.«
Boëndal stand neben der Tür, in der Linken hielt er den Krähenschnabel. Es sah aus, als bereitete er sich auf einen Angriff vor. »Du wirst gleich nichts mehr essen wollen. Sieh in die Ecke.«
Boїndil schaute in die angegebene Richtung. Auf dem Schlachtblock, den der Koch zum Ausbeinen und Zerkleinern benutzte, lagen Knochen, die zu keinem ihm bekannten Tier passen wollten, und die vier abgezogenen Schädel, die daneben lagen, konnten ihrer Form nach nur Langen gehört haben.
Es dauerte eine Weile, bis er begriff, was er sich um ein Haar als Essen gegönnt hätte. Angewidert schleuderte er das Brot weg und sprang auf den Boden zurück; dabei zog er seine Beile.
»Wenn ich den Magus in die Finger bekomme, wird ihm sein Hokuspokus nicht mehr helfen«, versprach er angeekelt.
»Ich habe noch nie gehört, dass Menschen oder Hexer so etwas tun«, gab Boëndal zu bedenken. »Es gibt neue Bewohner, wenn du mich fragst. Das offene Tor stammt von einem Überfall.« Er spähte aufmerksam zur Tür. »Wir müssen sofort zu unserem Gelehrten.«
Rücken an Rücken liefen sie durch die unheimlichen leeren Gänge, um zu ihrem Ausgangsort zurückzukehren.
*
Tungdil saß auf dem Schemel, der vor Lot-Ionans Ohrensessel stand, und wartete ungeduldig auf die Rückkehr seines Ziehvaters. Dabei wischte er sich den gröbsten Staub von den Kleidern. Er war gespannt, was der Magus zu seinen Berichten sagen würde. Mit dem Wichtigsten würde er zuerst anfangen und ihm sofort die Bücher Goréns überreichen. Zwar nahm er nicht an, dass der Zauberer ihn in die Geheimnisse um die mysteriösen Bücher einweihen würde, hoffte es im Stillen aber.
Leise Schritte ertönten auf dem Gang. Es waren nicht die Geräusche, die Boїndil und Boëndal verursachten, sondern eine leichte, ungepanzerte Person.
Tungdil erhob sich und huschte hinter die Tür, um sich zu verstecken und dem Famulus einen Schrecken einzujagen; diesen Spaß wollte er sich wenigstens erlauben. Seinen Rucksack und den Beutel mit den Artefakten ließ er stehen, spähte hinter der Tür hervor und wartete voller Vorfreude.
Ein junger Mann mit kurzen schwarzen Haaren betrat das Zimmer. Er trug eine malachitfarbene Robe, die ihn als Famulus von Nudin dem Wissbegierigen auswies, und schnüffelte sich mit einer solchen Selbstverständlichkeit durch die Unterlagen und persönlichen Sachen Lot-Ionans, als kennte er keinen Respekt.
Was, bei Vraccas, macht er da? Der Zwerg blieb vorerst in seinem Versteck und beobachtete, wie der Lange die Aufzeichnungen sortierte. Demnach war er für die entstandene Ordnung verantwortlich. Er nahm am Schreibtisch des Magus Platz und sichtete die Aufzeichnungen und Bücher mit kritischem Blick, ehe er sie auf die verschiedenen Stapel legte und ihre Namen in eine Liste eintrug.
Was suchen denn die Schüler Nudins im Stollen?, staunte Tungdil. Und vor allem: Wer hat ihnen erlaubt, sich so ungebührlich und frech zu benehmen? Wenn Lot-Ionan jemanden zum Aufräumen benötigte, stünden ihm genügend eigene Helfer zur Verfügung, aber diese Schriften, das wusste der Zwerg ganz genau, gehörten zu den Dingen, die sein Ziehvater als sehr persönlich betrachtete. Die eigenen Famuli durften nicht hineinschauen, da sollte es Fremden schon gar nicht erlaubt sein.
Schlurfende Schritte näherten sich vom Gang her, eine zweite Person betrat die Schwelle zur Kammer. Der Famulus blickte auf, ungehalten über die Störung. »Was gibt es?«
Tungdil presste sein Gesicht dicht an die Tür, um durch den schmalen Spalt einen Blick auf den Neuankömmling zu werfen. Er sah nur den breiten Rücken, der von einem einfachen Hemd bedeckt wurde.
»Ich habe meine Arbeiten in der Küche erledigt«, sagte eine tiefe Stimme schleppend. Der Zwerg erkannte sie sofort wieder. Der Mann war Eiden, Handlanger und Knecht für alle möglichen Aufgaben des Magus.
»Schön. Setz dich in irgendeine Ecke und störe mich nicht weiter«, befahl ihm der Famulus unwirsch.
Eiden regte sich nicht, sondern verharrte wie ein menschliches Standbild in der Tür. »Ich habe Hunger«, sprach er monoton.
»Geh in die Küche und sauge ein paar Knochen aus, aber lass die Finger vom Fleisch. Das ist für unsere Aufpasser«, erhielt er die harsche
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