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Die Zwerge

Die Zwerge

Titel: Die Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Anweisung. »Geh. Verschwinde.«
    »Ich will Fleisch«, beharrte der Mann dumpf.
    »Raus!« Der Famulus nahm den Brieföffner und schleuderte ihn nach Eiden. Ob Zufall oder nicht, die Spitze bohrte sich in die Brust des Knechts. Er stöhnte auf, bevor er sich umwandte, um die Kammer zu verlassen.
    Der Zwerg sah das vollkommen zerstörte, aschfarbene Gesicht, dem ein Kolbenhieb die rechte Schädelseite eingedrückt hatte. Die Verletzung machte ihn zu einem grotesken Abbild eines Menschen.
    Tungdil stockte der Atem, als er an ihm herabblickte. Der einst weiße Stoff seines Hemdes war größtenteils von getrocknetem Blut gefärbt; es musste aus den beiden klaffenden Wunden über dem Herzen und dem Schlüsselbein stammen. Die Wundränder zeigten erste Anzeichen von Zersetzung, und der Leib unter dem zerrissenen Stoff schimmerte fahl und bleich.
    Tungdil dachte sogleich an die Erlebnisse im Wald der Elbin und die lebenden Toten. Aber das kann nicht sein! Die Barrieren gegen das Tote Land halten doch noch. Lot-Ionan und die anderen Magi speisten die magischen Sperren mit neuer Kraft, sodass ein Vordringen unmöglich war; die Grenze zum unheimlichen Schrecken aus dem Norden lag zudem vierhundertfünfzig Meilen vom Stollen entfernt. Was ist hier nur geschehen?
    Ein Windstoß jagte durch das Zimmer. Neben dem Famulus erschien ein bläuliches Flirren, aus dem sich die Umrisse eines Menschen formten. Es war Nudin der Wissbegierige.
    Sein Famulus stand auf und verneigte sich vor dem magisch erschaffenen Abbild. »Ich suche, ehrenwerter Magus«, begrüßte er ihn. »Aber ich konnte die Sachen noch nicht finden, nach denen Ihr verlangt habt.« Er hob seinen Schopf, um in das feiste Antlitz seines Herrn zu blicken. »Die Stollen sind weitläufig. Der alte Mann hatte viele Laboratorien und Bibliotheken«, entschuldigte er sich vorsichtshalber. »Es ist für einen einzelnen Menschen eine schwierige Aufgabe, ehrenwerter Magus.«
    »Das ist der Grund, weshalb ich dir bald Gesellschaft leiste«, krächzte er.
    Der Zwerg verhielt sich mucksmäuschenstill, um sich nicht zu verraten. Vraccas schien ihn dazu auserkoren zu haben, Gesprächen als ungewollter Zuhörer beizuwohnen. Er hatte Nudin in den ganzen Jahren nur einmal gesehen, meinte aber sich zu erinnern, dass der Magus besser, schlanker und vor allem freundlicher aussah. Dieser Nudin wirkte wie eine schlechte Imitation, die von einem Neider angefertigt worden war, um den Zauberer zu verspotten.
    »Lot-Ionan sagte in Porista zu mir, er habe meine Artefakte in einem Schrank vergessen«, fuhr der Magus fort und drehte sich langsam im Kreis, um die Kammer genauestens zu inspizieren. Die Stimme klang hoch und dunkel zugleich. »Hast du dich schon genauer umgesehen?«
    »Nein, Herr«, entschuldigte sich der Schüler. »Ich dachte, Ihr wolltet die Bücher zuerst haben, deswegen suchte ich danach.«
    Nudin ging auf das große Möbelstück zu, aus dem Tungdil damals den Sack mit den Artefakten genommen hatte. »Es ist nicht sicher, dass die Werke tatsächlich bei meinem alten Freund ankamen.
    Die Albae berichteten, dass eine Kriegertruppe in Grünhain auftauchte und die Bücher Goréns raubte, nachdem die Orks die Siedlung erobert hatten. Sie meinten, es seien Zwerge gewesen.«
    »Wie konnte das passieren?«, entschlüpfte es dem jungen Mann. »Hattet Ihr ihnen nicht befohlen …«
    »Die Albae sind gute Verbündete.« Das Abbild des Magus hatte den Schrank erreicht. Er lehnte den Stab gegen die Wand, die geschwollenen Finger legten sich um die Griffe und drückten sie nach unten. Mit ein wenig Kraft gelang es ihm, das Möbelstück zu öffnen. »Aber sie handeln in ihrer Kunstfreude manchmal nicht nach menschlichen Maßstäben. Das wurde ihrer Botin zum Verhängnis.« Er beugte sich nach vorn und nahm einen Ledersack heraus, der Tungdils bis in die kleinste Einzelheit glich. »Es scheint, als verzeichneten wir endlich einen Erfolg«, sagte er zu seinem Famulus.
    Das Band wurde geöffnet, der Inhalt, fünf Schriftrollen, purzelte auf den Boden. Nudin schnaubte, offenbar handelte es sich nicht um das Gesuchte.
    Tungdil lugte hinter der Tür hervor. Sein Gepäck stand hinter dem Ohrensessel verborgen, und etwas sagte ihm, dass sich Nudin sehr darüber freuen würde, wenn er es entdeckte.
    Plötzlich, als er die Behältnisse nebeneinander liegen sah, fiel es ihm auf: Sein Lederbeutel trug ein blaues Band als Verschluss, aber Lot-Ionan hatte ihm damals befohlen, den Sack mit dem grünen Riemen zu

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