Die Zwerge
er den strengen Geschmack geradezu, was er als Zeichen dafür deutete, dass er immer mehr zu einem seines Volkes geworden war.
Boїndil stieß ihm in die Seite, sein Stöckchen deutete auf das seltsame Paar auf der anderen Seite des Lagers. »Schau, er hat seinen Topf immer noch auf dem Kopf«, lachte er. »Er ist bestimmt festgewachsen.«
Boëndal zeigte ein wenig mehr Erfurcht. »Einen solchen Langen habe ich noch nie gesehen«, räumte er ein. »Sicher, ich war noch nicht so oft unter Menschen, aber das ist mit Abstand das größte Exemplar, das mir je begegnet ist. Da kriegt selbst ein Ork Angst.«
»Du meinst, es ist gar kein Mensch? Ein junger Oger vielleicht?«, fürchtete sein Bruder. »In seiner Rüstung könnte alles Mögliche stecken.« Und schon machte er Anstalten, hinüberzugehen und ihn zu fragen. »Wenn das eine Grünhaut oder eine andere Bestie ist, stirbt sie auf der Stelle«, verkündete er. »Und seine Herrin gleich mit. Mir doch egal, ob sie eine Zauberin ist oder nicht, die Langen benötigen sie ja ohnehin nicht mehr.«
Tungdil überlief es siedend heiß. Er traute der Maga durchaus zu, dass sie ein Scheusal Tions an ihrer Seite hatte. Ich muss verhindern, dass er einen Streit vom Zaun bricht. Wenn er den Krieger zum Kampf reizt, wird Andôkai sich auf die Seite Djer_ns stellen, und das könnte böse enden.
»Nein, warte, das ist ein Mensch«, beruhigte er den Zwerg mit Nachdruck in der Stimme. »Es gibt Menschen im Geborgenen Land, die so groß werden. Ich habe gelesen, dass sie sich in eigenen Heeren sammeln, vor denen die Orks großen Respekt haben.«
Ihm brach der Schweiß aus, als er Angehörige seines eigenen Volkes anlog, aber schließlich diente es einem guten Zweck.
»Und warum werden sie so groß?« Boїndil ließ nicht locker; er spielte mit seinem Beil und hoffte noch immer einen Grund für einen Streit mit dem Gerüsteten zu finden, damit sie die Kräfte messen konnten.
»Die … Mütter …« Tungdil suchte fieberhaft nach einer Ausrede, die nicht unbedingt logisch sein musste, »binden … die Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt mit ein paar Stricken am Rumpf und an den Beinen … und ziehen sie lang. Das machen sie alle Tage, morgens und abends«, redete er drauf los. »Und es wirkt, wie ihr seht. Sie sind als Kämpfer berühmt. Sie wachsen in den Rüstungen und sind untrennbar mit ihnen verbunden.«
Die Brüder schauten ihn fassungslos an. »So etwas machen Menschen?« Ingrimmsch konnte es nicht fassen. »Ziemlich grausam, oder?«
»So steht es in den Büchern.«
Boëndal ließ den Blick über den eisernen Kämpfer schweifen. »Ich würde zu gern wissen, wie viel er wiegt und wie viel er tragen kann.«
Die drei Zwerge betrachteten den Mann, von dem sie immer noch nicht wussten, ob er schlief oder nicht. Die grinsende Dämonenfratze auf seinem Visier glomm im Schein des Feuers auf und schien sie zu verhöhnen.
Boëndal zuckte mit den Achseln. »Er wird irgendwann essen müssen«, murmelte er. »Dann sehen wir sein Gesicht.«
IX
Das Geborgene Land, Königreich Gauragar
im Jahr des 6234sten Sonnenzyklus,
Spätsommer
E ine derart außergewöhnliche Reisegruppe, wie sie seit mehreren Umläufen durch Ionandar und nun durch Gauragar wanderte, hatte das Geborgene Land seit tausenden von Sonnenzyklen nicht gesehen.
Lange bevor die Köpfe der Zwerge über die Kuppe eines Hügels ragten, erhob sich der eindrucksvolle gepanzerte Oberkörper des Kriegers über die Anhöhe und sorgte bei den Bauern, die auf den Feldern ihrer Arbeit nachgingen, für offene Münder und erschrockene Rufe.
Die Zwillinge liefen gewöhnlich vorneweg, Tungdil in der Mitte, und die Maga und ihr Krieger folgten mit ein wenig Abstand. Dabei ging Djer_n in ganz kleinen Schritten, um die Frau und die Zwerge nicht ständig zu überholen. Andôkai hatte einem Pächter für verschwenderisch viele Münzen ein Pferd abgekauft, auf das sie ihr Gepäck und einen Teil der Waffen des Mannes geladen hatten.
Tungdil dachte die ganze Zeit darüber nach, ob er der Zauberin von den Büchern erzählen sollte, die er mit sich führte. Die in den Schriften verborgenen Geheimnisse schienen Nôd’onn ebenso zu beunruhigen wie die Artefakte, und daraus schöpfte der Zwerg die Hoffnung, etwas gegen ihn ausrichten zu können. Wenn es mir nicht gelingen sollte, muss Andôkai ihre Fluchtpläne aufgeben. Sie ist die letzte Maga. Er hoffte inständig, sie überzeugen zu können. Also fiel er ein wenig zurück,
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