Die Zwerge
früher kleine Figürchen aus Zinn gegossen, mit denen sie voller Hingabe gespielt hatte, und ihr seine Werkstatt gezeigt, wo sie den Blasebalg hatte betätigen dürfen. »Drachenatem« hatte sie das genannt und entzückt gelacht, wenn die Funken aufgestiegen waren. Frala vergaß es ihm nicht, wie er sich um sie und nun um ihre Tochter kümmerte.
Sie schüttete die restlichen Kartoffeln in eine Wanne und füllte Wasser nach, dann wandte sie sich ihm zu. Ihre grünen Augen musterten ihn. »Es ist schon seltsam«, sagte sie lächelnd. »Ich dachte eben, dass du dich für mich in den vielen Jahren nicht verändert hast.«
Kauend setzte sich der Zwerg auf den Schemel, der Apfel war schon zur Hälfte in seinem Bauch verschwunden. »Und ich dachte eben, wie glänzend wir uns verstehen«, erwiderte er ehrlich.
»Frala! Komm her und rühre mein Gulasch!«, befahl die Köchin. »Ich muss noch ein paar Kräuter holen.« Der langstielige Kochlöffel, der fast so groß wie Tungdil war, wechselte die Besitzerin. »Lass es ja nicht anbrennen«, mahnte sie mit warnendem Unterton und ging hinaus.
Die Magd stellte sich an den Kessel und rührte die wohlriechende Mahlzeit kräftig durch.
»Ich habe die Menschen altern sehen, sogar den ehrenwerten Magus«, setzte sie ihre Rede fort, »aber du bist in den dreiundzwanzig Zyklen stets der Gleiche geblieben. Ob du in weiteren dreiundzwanzig Zyklen immer noch so ausschaust?«
Die junge Frau schnitt eine Frage an, mit der er sich ungern beschäftigte. Wenn es stimmte, was er über die Lebensdauer eines Zwerges gelesen hatte, würde er noch dreihundert Sonnenzyklen und mehr leben. Die Gewissheit, dass er eines Tages ihren Tod erleben und die liebenswerte Frala verlieren würde, machte sein Herz jetzt schon schwer.
Nachdenklich schob er sich das Kerngehäuse in den Mund und kaute es. »Warte es ab, Frala«, meinte er und versuchte, die bedrückenden Gedanken zu verdrängen.
Aber die Magd schien an diesem Tag in sein Innerstes schauen zu können. »Versprichst du mir etwas, Tungdil?« Er nickte. »Wirst du dich später einmal um meine Töchter kümmern, wenn ich nicht mehr da bin?«
Er schluckte die bitteren Kerne hinunter; sie kratzten in seinem Hals. »Das hat noch viel Zeit. Du wirst mindestens«, Tungdil schaute an ihr hinab, »na, mindestens einhundert Zyklen alt. Ich bitte den alten Zauberkauz, dass er dir ewiges Leben schenkt. Und Ikana und Sunja gleich mit«, brummte er.
Die junge Frau lachte. »Keine Sorge, ich habe nicht vor, so schnell vor Palandiell zu treten.« Sie rührte sorgfältig im Kessel; der Schweiß rann über ihre Stirn und lief ihr übers Gesicht. »Es … ist nur ein gutes Gefühl zu wissen, dass jemand auf die Kinder aufpasst.« Ein wenig hilflos hob sie die Schultern. »Ich bitte dich, sei ihr Gevatter.«
»Bis du zu deiner Göttin gerufen wirst, sind die Kinder alt genug, dass es keinen Aufpasser mehr benötigt«, meinte er, aber als er merkte, dass es Frala mit ihrer Bitte durchaus ernst meinte, gelobte er, auf Ikana und Sunja Acht zu geben. »Es ist mir eine Ehre, ihr Pate zu sein.« Der Zwerg rutschte von seinem Sitz. »Falls der Haken abreißen sollte, schicke Jolosin«, verabschiedete er sich und bekam von ihr noch eine kleine Schüssel Gulasch als Wegzehrung mit.
In der Schmiede warteten Sunja und neue Arbeit auf ihn, die der Pferdeknecht brachte. Die Bänder zweier Vorratsfässer waren gerissen, also machte er sich daran, sie auszubessern. Dann brach ein Stück des Pfluges, der eilig repariert werden musste.
Tungdil freute sich über die Aufträge. Die Anstrengung und die Hitze des Feuers brachten ihn zum Schwitzen, die Tropfen perlten von seinen Armen und fielen mit einem Zischen in die Esse. Fralas älteste Tochter beobachtete ihn wie gebannt, reichte ihm die leichteren Werkzeuge und gab sich alle Mühe, den Blasebalg zu betätigen.
Das glühende Eisen ergab sich unter seinen Schlägen und wurde zu dem, was er haben wollte. In solchen Augenblicken fühlte er sich wie ein echter Zwerg und nicht wie ein Findelkind, das von zaubernden Menschen aufgezogen wurde.
Seine Gedanken schweiften ab. In seinem dreiundsechzig Zyklen zählenden Leben hatte er keinen einzigen Zwerg gesehen, und deshalb freute er sich, wenn Lot-Ionan ihn auf Botengänge schickte, was viel zu selten geschah. Er hoffte inständig, eines Tages einem Angehörigen seines Volkes zu begegnen und mehr über es zu erfahren; doch die fahrenden Zwerge machten sich rar.
Ionandar war
Weitere Kostenlose Bücher