Die Zwerge
ausschließlich Menschenland. Gnome und Kobolde gab es so gut wie keine mehr; die wenigen verbliebenen lebten an vergessenen Orten unter der Erde und tauchten nur auf, wenn sie etwas von den Menschen, Zwergen oder Elben stehlen konnten – hatte Frala einmal gesagt. Die letzten Elben lebten in Âlandur, in den Hainen des Ewigen Waldes, während die Zwerge sich in den fünf Gebirgen rund um das Geborgene Land beheimatet waren; die Hoffnung, eines Tages in eines der Zwergenreiche zu gelangen und mehr über seine eigene Herkunft herauszufinden, hatte Tungdil fast aufgegeben.
Das Wissen über seinesgleichen stammte aus den Büchern des Magus, doch es war ein sehr trockenes Wissen, es las sich nicht lebendig. Manche Schreiber machten sich über die »Unterirdischen« lustig, andere gaben ihnen sogar die Schuld daran, dass der namenlose Schrecken in das Geborgene Land Einzug gehalten hatte. Das konnte Tungdil sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Bücher dieser Art erklärten ihm, warum es so wenige Zwerge außerhalb ihrer Reiche gab. Die »Unterirdischen« waren sicher beleidigt und kehrten den Menschen lieber den Rücken.
Tungdil hatte den ersten Reifen für das Fass gerade ausgebessert, als Jolosin schon wieder auftauchte. Er trug eine neue Robe, wie der Zwerg schadenfroh bemerkte.
»Komm schnell!«, keuchte er aufgeregt und rang nach Atem.
»Schon wieder der Gulaschkessel? Lauf und halte ihn fest. Ich bin gleich da«, feixte er.
»Im Laboratorium …« Jolosins Stimme versagte, er verlegte sich aufs Deuten. »Der Kamin«, schnaufte er und hastete zurück.
Das klingt wirklich ernst. Beunruhigt legte der Zwerg den Hammer zur Seite und wischte sich die Hände an seinem Schurz ab. Nachdem er Sunja wieder zu ihrer Mutter in die Küche geschickt hatte, folgte er dem Famulus durch die in Stein gemeißelten Korridore.
Das Geborgene Land, am Rand des Zw ergenreichs des Zweiten, Beroїn, im Winter des 6233sten Sonnenzyklus
W inzige Sandkörner prasselten zu hunderten gegen die Helme, Schilde, Rüstungen und jeden Zoll unbedeckten Fleisches. Ein kräftiger, heißer Westwind jagte die lose Erde vor sich her, die er von den Dünen abgetragen hatte.
Inmitten des Sturmes kämpfte sich die mutige Schar Zwerge auf Ponys voran. Die Tücher vor den Gesichtern sollten vor der Naturgewalt schützen, aber der helle Wüstenstaub fand dennoch einen Weg durch den Stoff. Es gab keinen Mund, in dem er nicht knirschte, und keinen Bart, aus dem er nicht rieselte.
»Verdammter Wind!«, fluchte König Gandogar Silberbart aus dem Clan der Silberbärte, Herrscher über den Stamm der Vierten und seine zwölf Clans, und richtete sein Tuch, um die Nase vor dem Sand zu schützen.
Der Zwerg galt mit zweihundertachtundneunzig Jahren als erfahrener Herrscher und guter Kämpfer. Er maß etwas mehr als fünf Fuß, hatte starke Arme und legte seine aufwändig gearbeitete, schwere Rüstung selbst unter diesen Umständen nicht ab. Unter dem mit Diamanten verzierten Helm quoll dunkelbraunes Haar hervor, sein Bart war von der gleichen Farbe. Unbeirrt lenkte er seine Gefolgschaft durch die Dünen und Geröllberge.
»Ich finde den Sand schlimmer. In einem Berg kann so etwas nicht geschehen«, meinte Bislipur, sein Freund und Mentor, der an seiner Seite ritt. Er überragte den Zwergenherrscher an Höhe und Körpermasse und trug beinahe ebenso viele kostbare Ringe und Spangen aus Gold wie sein Herr. Alles an seiner Haltung verriet den Kämpfer, und sein Kettenhemd zeigte Spuren zahlreicher vergangener Schlachten. Die letzte hatten sie gerade einmal vor fünf Umläufen gegen Orks geschlagen.
»Ein einzelnes Sandkorn tut nicht weh. Darüber beschwere ich mich gewöhnlich auch nicht«, grummelte Bislipur. Doch die Menge und die Wucht, mit der er und die Gesandtschaft belästigt wurden, brachten selbst den härtesten Zwerg zum Aufstöhnen. »Wir sind kein Wüstenvolk. Vraccas wusste, warum er uns aus Stein und nicht aus Sand erschuf«, fasste er die Gedanken des Trupps zusammen.
Ihre Ponys, mit denen sie sich auf die Reise ins Zweite Zwergenreich gemacht hatten, wieherten und schnaubten ärgerlich, um die pulvrige Substanz aus den Nüstern zu blasen. Doch dabei sogen sie nur noch mehr von dem gnadenlosen Sand ein.
»Es gibt keine andere Strecke«, bedauerte Gandogar. »Aber zu euer aller Trost: Bald ist es geschafft.«
Der Trupp aus dreißig Zwergen befand sich in Sangreîn, dem öden Land der Menschenkönigin Umilante. Hier gab es nichts
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