Die Zwerge
unterbreitete Nudin sein Angebot. »Ich helfe dir, aus deiner Falle zu entkommen, wenn du mir vorher alles über dich und deinesgleichen berichtest. Woher du kommst, wie ihr lebt, was ihr tut, wenn ihr uns nicht angreift.« Er nahm eine Pergamentrolle und ein Reisetintenfass aus seiner Umhängetasche. »Ein Zauber wird dafür sorgen, dass du die Wahrheit sprichst.«
Die seelenlosen Raubtieraugen blinzelten verstört. Der Bogglin wusste mit dem verrückten Menschen nichts anzufangen, der ihn weder töten noch befreien wollte. Ehe es ihm gelang, etwas zu sagen, durchbohrte ein langer schwarzer Pfeil seine Kehle und nagelte ihn an den Kadaver des Trolls.
»Andôkai?« Nudin wirbelte herum und sah eine Gruppe von vier Albae auf sich zukommen. Nein. Schlimmer. Voller Erstaunen beobachtete er, wie der Letzte durch die Barriere trat. Der magische Widerstand kümmerte sie nicht im Geringsten. Ihr Anführer legte einen weiteren Pfeil auf die Sehne, dieses Mal sollte er das Ziel sein.
Das wird euch nicht gelingen. In aller Eile zog er einen Schutzzauber in die Höhe, der den heranschwirrenden Pfeil ablenkte und ihn zu dem Schützen zurückleitete. Mit Überraschung in den nachtfarbenen Augen starb der Alb.
Nudin richtete zwei weitere Albae mit gewaltigen Magieblitzen, die aus seiner linken Hand schossen. Den Vierten betäubte er nur, um ihn zu befragen.
Als er die feinen Züge seiner Gegner betrachtete, musste er daran denken, wie sehr Turgur die Verwandten der Elben, die in Gwandalur und der Goldenen Ebene lebten, um ihre Schönheit und Perfektion beneidete. Sein Blick blieb an den Kristallamuletten hängen, die um ihre Hälse baumelten.
Schutzrunen, staunte Nudin und nahm sie an sich. Das erklärte ihm, weshalb die Albae der Barriere unverletzt getrotzt hatten. Wie es aussieht, hat das Tote Land einen Weg gefunden, die gefährlichsten seiner Diener durch unsere Barriere zu senden, dachte er beunruhigt. Der Rat muss unbedingt davon erfahren.
Er sprach einen Bannzauber gegen den Alb und holte ihn aus seiner Ohnmacht. Die Lider öffneten sich; da es helllichter Tag war, sah der Magus anstelle von Pupillen und Weiß nur Schwärze in den Augenhöhlen. Er hielt ihm die Amulette vors Gesicht. »Wer gab sie euch?«
Der Alb sah ihn ausdruckslos an.
Nudin sprach einen Wahrheitszauber auf ihn, und der Alb offenbarte ihm sein Geheimnis, jedoch in seiner eigenen Sprache, die der Gelehrte nicht verstand. Es klang melodisch und elegant wie Elbisch, doch die Einfärbung war wesentlich düsterer.
So kam er nicht weiter. Er stand auf, entfernte sich ein paar Schritte von dem Wesen und ließ es in einer Feuerwolke verglühen; das Gleiche tat er mit den Kadavern der anderen Albae und dem Bogglin.
»Ein Sieg, der nicht lange währt«, murmelte er betrübt.
Morgen, beim gemeinsamen Frühstück, werde ich ihnen von den Amuletten berichten; in dieser Nacht sollen sie ihre gute Laune nicht verlieren. Nachdem er den Wachen eingeschärft hatte, besonders aufmerksam zu sein, begab er sich zur Ruhe.
*
Die Nacht bescherte Nudin einen merkwürdigen Traum.
Nebel umschloss das Zelt, sickerte durch die Leinwand und umspielte sein Lager. Im Innern des trüben Dunstes schimmerte es in rascher Folge schwarz, silbern und rot auf.
Nachdem er lauernd um die Pfosten gestrichen war, näherte er sich dem Schlafenden und schwebte bis zur Kante des Bettes hinauf. Es sah aus, als flöge Nudin auf einer weißen, flimmernden Wolke.
Ein fingerartig geformtes Nebelstück tastete sich vorwärts und berührte die Hand. Der Magus erwachte von dem leichten, samtigen Anstoß.
»Hab keine Angst. Ich werde dir nichts tun«, sprach eine wispernde Stimme.
Nudin richtete sich vorsichtig auf und betrachtete den flimmernden Nebel. »Man nennt mich den Wissbegierigen, nicht den Ängstlichen«, erwiderte er ruhig. »Was bist du?«
»Ich bin die Seele des Toten Landes«, raunte der Nebel. »Ich bin zu dir gekommen, um dich vor die Wahl zu stellen.«
»Was wird das wohl für eine Wahl sein? Entweder bin ich dein Freund oder ich bin dein Feind, und du wirst mich töten, oder?«
Der Nebel stieg noch ein wenig höher, er umfing Nudins Füße und kroch langsam die Beine hinauf. Seine Berührung fühlte sich weich und warm an. »Nein. Ich stelle dich vor die Wahl, das Geborgene Land zu retten oder zusammen mit deinen Zauberfreunden seinen Untergang zu verschulden.«
»Aber wir bewahren unsere Heimat vor dir. Du bist sein Untergang«, widersprach der Magus
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