Die Zwerge
heftig.
»Nein, ich kam, um die Reiche und die Menschen, Elben und Zwerge durch meine Macht zu bewahren«, flüsterte der Nebel. »Ich wollte schneller sein als das Unheil.« Aus dem Dunst formte sich ein menschliches Antlitz, die Lippen und der Mund bewegten sich. »Aber eure Magie hindert mich daran. Bald wird das Böse den Steinernen Torweg oder den Westzugang im Roten Gebirge erreichen und ins Geborgene Land schwappen, zuerst mich hinfortspülen und dann alles vernichten, was vom Berggürtel umschlossen wird.«
»Das glaube ich dir nicht. Was ist das für eine Seele, die von anderen Seelen lebt?«
»Eine sehr große Seele, die nicht frisst, sondern in sich aufnimmt und vor Schaden bewahrt«, säuselte der Nebel. »Wenn die Gefahr für das Geborgene Land gebannt ist, werde ich sie alle freilassen, damit sie zu den Göttern des Jenseits gelangen. Doch bis dahin brauche ich ihre Kraft.«
»Geh!«, befahl Nudin. »Geh, denn ich glaube dir nicht!«
Der weiße Schleier wurde durchsichtiger. »So höre noch, was ich dir unterbreite«, raunte er. »Leih mir deinen Körper für eine kurze Zeit, damit ich eine Gestalt erhalte. Durch mich erlangst du Fertigkeiten und Wissen, von denen du nicht einmal träumtest, weil du nicht wusstest, dass es sie gibt. Ich kenne Zaubersprüche aus fernen Ländern, ersonnen von den klügsten Magi, ich weiß Dinge über die Sterne, den Menschen, die Natur, das Leben, die Tiere, wie sie in keinen Büchern geschrieben stehen. Du wirst der weiseste und mächtigste Magus sein, der jemals im Geborgenen Land lebte, und dein Name wird Nudin der Allwissende sein.« Der Nebel löste sich auf. »Der Allwissende …«
Der Allwissende! Nudin schreckte aus seinem Traum auf und blickte sich in seinem Zelt um, ohne etwas Ungewöhnliches zu entdecken. Er schalt sich selbst einen Narren und legte sich wieder hin.
Als er am nächsten Morgen zusammen mit den Magi und Magae beim Frühstück saß, aß er schweigend und gedankenverloren, während sich die anderen über ihre Vorhaben austauschten.
Seine Begegnung mit dem Nebel und den Albae aber behielt er ebenso wie die Neuigkeit über die Amulette für sich.
*
Nudin ließ die Nachricht sinken, die ihm kurz vor der Nachtruhe überbracht worden war.
Lesinteїl, das Reich der Nordelben, war in die Hand der Albae gefallen. Es musste ihnen auf eine geheimnisvolle Weise gelungen sein, die Barriere zu durchbrechen und über die arglosen Einwohner herzufallen.
Die Zeilen berichteten davon, dass die ersten Siedlungen in wenigen Tagen eingenommen worden waren. Als die Elben endlich ihren Widerstand in einem Heer organisierten, standen so viele Albae in ihrem Reich, dass sie von Beginn der Schlacht an zum Scheitern verurteilt waren.
Das Tote Land sickerte nun nach Lesinteїl ein und vernichtete das blühende Leben, das die Elben einst mit viel Aufwand kultiviert und zu höchster Vollendung geführt hatten.
Missmutig warf der Magus das Pergament auf den Boden und sank in die Kissen. Übermorgen würde der Rat einberufen werden, um die Sperren um das gefallene Elbenreich zu errichten. Die Botschaft sprach davon, dass sich die Albae von ihrer neuen Eroberung aus in Windeseile bis nach Gauragar, Idoslân und Urgon ausbreiteten, um neue Gebiete für das Tote Land zu gewinnen.
Nudins Gewissen meldete sich mit Vehemenz, denn er glaubte zu wissen, wie es den Albae gelang, die Barriere zu überwinden: mithilfe der Amulette. Andererseits hätte es nichts gebracht, wenn er den anderen von seiner Entdeckung berichtet hätte.
Doch! Sie hätten die Zauberrunen untersuchen und eine Barriere schaffen können, gegen welche die Schriftzeichen nicht wirken, warf ihm eine innere Stimme vor. Nur durch dein Schweigen wurde der Überfall möglich!
»Nein!«
Du bist für den Fall Lesinte їls verantwortlich! Du hast sie betrogen, Elben wie Zauberer!
Er zog sich die Decke über den Kopf, und versuchte, schnell einzuschlafen, damit er sein rechthaberisches Gewissen nicht mehr ertragen musste.
Doch es kam noch schlimmer, denn in dieser Nacht träumte er wieder von dem verführerisch redenden Nebel, der Seele des Toten Landes, die nicht von ihm ablassen wollte.
»Hast du dir meine Worte überlegte? Möchtest du zu Nudin dem Allwissenden und zum Retter des Geborgenen Landes werden?«, raunte er in seinen Gedanken.
»Wie hast du die Barriere bei Lesinteїl durchbrochen?«
»Wärst du Nudin der Allwissende, müsstest du diese Frage nicht stellen«, wisperte der flirrende
Weitere Kostenlose Bücher