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Die Zwerge

Die Zwerge

Titel: Die Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Überzeugung, würde er sie kontrollieren. Wenn das angedrohte Grauen nicht kommt, werde ich von ihm verlangen, die Truppen aus den Reichen der Menschen, Zwerge und Elben abzuziehen und über den Nordpass zu verschwinden. Auf die ein oder andere Weise würde das Geborgene Land gewinnen. »Was muss ich tun?«
    Der Dunst flirrte stärker, aufgeregter. »Nichts. Liege einfach nur still da und biete mir keinen Widerstand. Leere deinen Verstand, denke an nichts und öffne deinen Mund. Du wirst spüren, wenn ich bei dir bin.«
    Nudin lehnte sich zurück und tat gehorsam, wie ihm geheißen wurde.
    Die ersten Ausläufer des Dunstes schlängelten sich aus drei Richtungen in seinen Rachen und füllten die Mundhöhle aus, als begutachteten sie wie Späher zunächst das Gebiet, ehe sie dem Rest bedeuteten nachzufolgen.
    Dann ging alles sehr schnell. Der Nebel zog sich zusammen und zwängte sich in seine Kehle. Nudin hatte das Gefühl, seine Kiefer würden so weit auseinander gedrückt, dass sie brachen, und in seinen Ohren knackte es laut. Seine Hände krallten sich in die Kissen, der Stoff riss unter der Kraft.
    Einmal in seinen Körper gelangt, bahnte der Nebel sich rücksichtslos einen Weg, dehnte seinen Schlund, bis Nudin zu ersticken glaubte, und presste ihm die Luft aus den Lungen. Das Blut rauschte viermal so schnell wie gewöhnlich durch seine Adern.
    Rotes Wasser schoss ihm unvermittelt aus der Nase und den Augen, und er erschrak umso mehr, als er begriff, dass es sein Lebenssaft war, der in Strömen aus ihm herausquoll. Aus jeder Pore seiner Haut trat Blut aus; die Tröpfchen vereinigten sich zu Rinnsalen und benetzten die Laken seines Bettes.
    Unverständliche gurgelnde Laute ausstoßend, richtete er sich auf und stürzte bei dem Versuch, zur Tür zu gelangen, hart zu Boden.
    Die Beine verweigerten ihm ebenso den Dienst wie jedes andere Körperteil; selbst sein Hirn entglitt seiner Kontrolle, er brabbelte wirr, lachte, keuchte und schrie vor Angst und Schmerzen, wälzte sich auf den Platten und kroch auf allen vieren durch sein Schlafgemach, eine rote Spur hinter sich herziehend.
    Dabei spürte er genau, wie der Nebel sich in jeder Faser seines Leibes ausbreitete; er schob und drückte sein Fleisch, wühlte in seinen Eingeweiden, folterte seine Männlichkeit und gewährte ihm keinen Lidschlag lang eine Pause von der Qual.
    Dann endete sein Leiden abrupt.
    Japsend lag Nudin auf dem kühlen Marmor und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Die Benommenheit wich einer Klarheit, einer ungewohnten Schärfe in seinem Denken.
    Mühsam stemmte er sich auf die Füße. Das Blut klebte an ihm, und es roch nach Exkrementen. Angewidert von sich selbst, eilte er durch die Flure seines Palasts und sprang in den erstbesten Brunnen, um sich den Schmutz vom Körper zu waschen. Das kalte Wasser brachte seine Lebensgeister zurück, der Magus fühlte sich erfrischt und hellwach.
    Es ist an der Zeit für eine Probe. Er versuchte, sich an die Zauberformel von vorhin zu erinnern. Es gelang ihm auf Anhieb, und nicht nur das: Er wusste, wofür sie taugte, er kannte alle notwendigen Handbewegungen, jede einzelne Silbe und die exakte Betonung, obwohl er sie zum ersten Mal aus seiner Erinnerung abrief.
    Genau genommen war es nicht seine Erinnerung, nicht sein Wissen, auf das er zurückgriff, aber das störte ihn nicht.
    Wie im Rausch dachte er an das Gesehene und sah es, schmeckte es, roch es. Die Ebene bekam einen eigenen Geruch, den er wieder erkannte, er wusste, welche Lieder die Vögel dort sangen, er erinnerte sich, dass der idyllische Flecken Pajula genannt wurde und wo er auf der Landkarte lag, auf einer Landkarte, die er erst zeichnen musste, weil sich die Ebene fern der Grenzen des Geborgenen Landes erstreckte.
    Nudin lachte vor Begeisterung und planschte im Wasser des Brunnens herum.
    Bist du zufrieden?, hauchte eine Stimme in seinem Kopf. Versprach ich dir zu wenig?
    »Nein …«, sagte der Magus laut und stockte. Nein, dachte er dann. Es scheint, als hättest du die Wahrheit gesagt, was das Wissen anbelangt. Er entschied sich zu einem entscheidenden Experiment. Ich möchte, dass du meinen Körper wieder verlässt.
    Sofort verspürte er ein unangenehmes Brennen, eine eisige Kälte, und ein Gefühl von Einsamkeit, Verlassenheit breitete sich in ihm aus. Der Nebel bereitete sich darauf vor, aus ihm zu entweichen. Nudin fürchtete sich davor, die durchlittenen Schmerzen ein weiteres Mal ertragen zu müssen.
    Nein, dachte er hastig, bleib.

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