Die Zwerge
aber Tungdil rief ihn zurück.
»Nein, lass. Wir wissen nicht, ob er uns nicht am Ende in eine Falle locken will.«
»Aber er hat den Rucksack!«
Tungdil wischte sich das Blut unter der Nase weg. Stolz hob er das Stück Sigurdazienholz. »Nur das ist wichtig. Und ich habe es wieder.«
»Wie hast du es verloren, Gelehrter?«, wunderte sich Boëndal.
»Das erzähle ich euch unterwegs.« Er nickte Goїmgar zu. »Sei unbesorgt. Die anderen beiden Griesgrame werden dir nichts anhaben.«
»Ich habe wirklich gesagt, dass sie erst nach euch die Tür schließen sollen«, sagte er leise.
»Lass es gut sein«, meinte Tungdil, obwohl er sich nicht sicher war, dass er dem Gehörten Glauben schenken sollte. Er vertraute ihm nicht mehr und beschloss, ihn zu keiner Zeit mehr allein zu lassen, bis Goїmgar verstanden hatte, um was es bei ihrer Reise ging.
»Wir sollten den Gardisten Bescheid sagen, dass wenigstens ein Alb in den Mauern Mifurdanias sein Unwesen treibt«, sagte Boëndal. »Er wird einen Verrat planen, um die Einnahme der Stadt für die Orkhorden zu erleichtern.«
»Und er weiß, dass wir hier sind«, fügte Goїmgar zaudernd hinzu. »Werden sie uns nun jagen?«
»Das haben sie wohl schon die ganze Zeit über getan«, antwortete Tungdil ehrlich, »aber leider haben sie herausgefunden, wo wir sind. Wir müssen so schnell wie möglich in die Tunnel. Solange sie davon nichts erfahren, sind wir vor den Albae sicher.«
Hastig durchquerten sie die Straßen, bis sie zum nahen Südtor gelangten, wo Tungdil dem Wachhabenden berichtete, dass er einen Alb gestellt habe. Dann machten sie sich auf den Weg zur Herberge, wo Bavragor und Boїndil hoffentlich ausharrten.
*
Als sie sich der Kaschemme näherten, hörten sie die wilden Schreie Ingrimmschs. Holz barst krachend, und darunter mischten sich laute, aufgeregte Rufe von Menschen.
»Bei Vraccas! Die Albae haben sie gefunden!«, rief Boëndal grimmig und rannte los, um seinem Bruder beizustehen.
Da flog ein Mann in hohem Bogen durch das kleine geschlossene Fenster und landete in einem Scherbenregen auf dem Pflaster. Der Nächste fiel mitsamt der aus den Angeln gerissenen Tür auf die Straße, rappelte sich auf und suchte blutend das Weite.
Die drei Zwerge stürmten in die Schenke, in der ein Wirbelsturm gehaust haben musste. Nichts befand sich mehr an seinem angestammten Platz, Tische und Bänke waren umgeworfen oder zu Bruch gegangen. Stöhnende Gäste lagen umher, manche arg, andere weniger verprügelt.
Mittendrin stand Boїndil wie ein kleiner Rachegott und rupfte einem Menschen den Schnauzbart Haar für Haar aus. Von Bavragor fehlte jede Spur.
»Was tust du da?«, fragte ihn sein Bruder und betrachtete fassungslos die Unordnung. »Warst du das?«
Ingrimmsch drehte sich um, sodass sie seinen verunstalteten Bart sehen konnten. »Ho, das will ich meinen«, lallte er. »Sie haben mich angezündet, und dafür haben sie mit meinen Fäusten Bekanntschaft gemacht.« Er kicherte und riss seinem Opfer ein weiteres Haar aus. »Der Lange hat angefangen, er hat meinen Bart angekokelt, und als ich ihn bestrafen wollte, kamen ihm die anderen zu Hilfe. Das fand ich sehr anständig von ihnen. Umso mehr gab’s für mich zu tun.«
»Bitte, sagt ihm, dass es mir Leid tut und er mich loslassen soll«, jammerte der Mann. »Es war ein Unfall, ich wollte ihm bloß einen glimmenden Span für seine Pfeife reichen!«
Boїndil packte ihn an den Ohren und blickte ihn aus trüben Augen an. »Wirst du auch nie mehr einem aus unserem Volk ein Loch in seinen bärtigen Stolz brennen?«, keuchte er.
»Nie mehr!«, wimmerte der Mann.
»Schwörst du es?« Er schwor artig, und der Krieger gab ihn frei. »Na, gut. Lauf, Langer.« Zum Abschied rupfte er ihm ein ganzes Büschel Haare aus und trat ihn in den Hintern. Lachend ließ er sich auf den Tisch plumpsen, langte nach seinem Humpen und schlürfte geräuschvoll. »So viel Spaß hatte ich schon lange nicht mehr«, rülpste er. Seine Augen entdeckten Goїmgar. »Ah, da ist ja unsere zimperliche Maid!«
»Er ist sturzbetrunken«, meinte sein Bruder und kniff die Lippen zusammen.
»Wo ist Bavragor?«, fragte Tungdil mürrisch. Schlimmer, als eine Horde Flöhe zu hüten. »Müssen wir ihn auch suchen gehen?«
»Der? Ach, der kommt schon wieder. Das Einauge ist ein Pony kaufen, damit wir unsere Schätze …«
»Boїndil! Sei still!«, fuhr Boëndal ihn hart an, nahm ihm das Bier weg und zerrte ihn vom Tisch. »Was denkst du dir
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