Die Zwerge
einlegen mussten. Endlich gelangten sie an den Damm, den ihre Vorfahren gegen die Flut der Orks und anderen Bestien errichtet hatten, und stiegen auf den höchsten Wehrgang.
Aufstöhnend setzte sich Gundrabur auf das niedere Steinstück zwischen zwei Zinnen. Der Schweiß stand in seinem Gesicht, die Hände und Arme zitterten, aber er machte ein glückliches Gesicht. Als der Südwind mit seinen weißen Haaren spielte, die durchsichtig wie dünne Wolle waren, schloss er die Augen.
»Bislipur hat etwas in das Bier getan, was mich schwächt, das denkst du sicher«, sprach er. »Und ich denke, dass du damit Recht hast. Aber auch wenn er mit allen Mitteln kämpft, werde nicht wie er, Balendilín, um ihn zu besiegen, sonst wirst du ebenso schlecht und niederträchtig.«
Balendilín trat neben seinen Herrn und betrachtete ihn. »Was soll ich sonst gegen ihn tun? Bekämpft man Feuer nicht mit Feuer?«
»Er wird sich verraten, und dann musst du zur Stelle sein, um seine Falschheit allen vor Augen zu führen, damit selbst seine besten Freunde von ihm abfallen. Aber vorher bewahre Schweigen, sonst werden dich die Clans des Vierten einen Schreihals nennen. Wasser löscht das Feuer gründlicher und hinterlässt keine verbrannten Stellen, wie es ein Gegenfeuer tun würde.« Die trüben Augen Gundraburs richteten sich auf ihn. »Sei dieses Mal wie das Wasser, Balendilín, dem Wohl der Zwerge willen.« Sein Blick schweifte über den breiten Graben, in dem die verrotteten Gebeine zahlloser Bestien lagen. »Kein Ork kam während meiner Regentschaft auf diese Seite«, murmelte er, und ein wenig Stolz schwang in seiner Stimme mit. »Wir haben das Geborgene Land vor den Ausgeburten Tions bewahrt. Nun retten wir es vor der Bedrohung von innen heraus.«
Er schwieg eine Weile, ließ den Anblick der majestätischen Felsen auf sich wirken und sog den Abendwind prüfend ein.
»Hast du sie mir geschickt, mein treuer Freund?«, raunte er dankbar. »Wolltest du mir die Gelegenheit geben, wie ein Krieger zu sterben?« Er hob die Axt und prüfte ihre Schärfe mit dem Daumen.
Im gleichen Moment schlugen die Wachen auf den Zinnen Alarm: Die sich nähernden Ungeheuer waren bemerkt worden. Dröhnende Hörner riefen die Zwerge zu den Waffen, die Türen der Festung flogen auf, die am Wall stationierten Krieger verließen ihre Unterkünfte und eilten die Treppen zu den Wehrgängen hinauf.
Balendilín betrachtete das immer jünger wirkende Gesicht seines Königs. Der Geruch der verhassten Orks trug das Feuer in seine Lebensesse zurück, machte die Hand um den Griff fest und die Augen klar. Ein Wunder!
»Lass die Brücke ausfahren«, befahl Gundrabur und sprang auf. Die Beine, die eben noch unter der Last des Kettenhemds gezittert hatten, trugen ihn mit Leichtigkeit, und er schien um einige Fingerlängen gewachsen zu sein. »Ich möchte sehen, ob die Orks immer noch so wenig taugen wie zu meinen großen Zeiten und ob sie ein alter Zwerg in die Flucht schlagen kann.«
Als das Tor sich hob, die Stützpfeiler aus dem Boden des Grabens fuhren und sich die ersten Steinplatten zu einem Weg verbanden, der über die Schlucht führte, formierten sich fünfhundert Zwerge zu einer Eskorte für ihren Großkönig.
Balendilín unternahm einen letzten Anlauf. »Du wirst dabei sterben, Gundrabur. Ich bitte dich …«
Der alte Zwerg legte ihm die Hand auf die Schulter, danach reichte er sie ihm und drückte sie kräftig. »Ich will sterben, mein treuer Freund, ehe ich am Gift dahinsieche. Bislipur wird nicht die Genugtuung bekommen, mich heimtückisch umgebracht zu haben«, raunte er ihm zu und umarmte ihn lange. »Mein Tod wird ruhmreich sein, wie es sich für einen unseres Volkes gebührt. Man wird sich mit Achtung daran erinnern.« Er löste sich von seinem Freund und Berater. »Die ersten zehn Orks, die durch mich fallen, sind für deinen verlorenen Arm. Lebewohl, Balendilín. In der Schmiede von Vraccas sehen wir uns wieder«, lachte er ihm zu und wandte sich um. »Ihr Krieger aus dem Stamm Beroїns!«, rief er laut. Die Wände der Festung warfen seine Stimme zurück und trugen sie noch weiter. »Kämpft mit mir und verteidigt unser Reich und das Geborgene Land!«
Die Zwerge brachen in Jubelrufe aus und freuten sich, dass der Großkönig an ihrer Seite gegen die Orks zog, denn sie ahnten nichts von seinem heimtückisch beigebrachten Leid.
Wir sehen uns wieder. Balendilín schnürte es die Kehle zu, als er seinem Freund hinterherschaute, wie er erhaben
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