Die Zwerge
Ersten sind angekommen und haben einen Großteil deiner Verbündeten vernichtet. Weißt du das?«
»Sie sind nicht meine Verbündeten, sie sind Handlanger, Werkzeuge meiner Rache«, stellte er ruhig fest und zertrümmerte die Tafel vollständig. »Feiert nur euren kleinen Erfolg! Aber gegen Nôd’onn werdet ihr auf Dauer nicht bestehen. Er ist zu mächtig und zu wahnsinnig.« Schon zerbarst die zweite Tafel unter seinen Schlägen; der polierte Granit polterte auf die Steinplatten und verteilte sich.
»Genug!« Balendilín stand am Fuß der Throntreppe und näherte sich dem Verräter. Unterwegs stellte er den Zeremonienhammer ab und nahm seine Axt aus dem Gürtel, wohl wissend, dass ihm der Hinkende an Kraft überlegen war; dafür fehlte es ihm glücklicherweise an Wendigkeit. »Sag mir, warum du das getan hast!«
»Das wird ein Kampf«, lachte Bislipur. »Zwei Krüppel messen sich.«
»Dieses Mal jedoch nicht mit Worten«, fügte der König grimmig hinzu.
Bislipur grinste. »Und schon wieder werden die Clans der Zweiten einen neuen König wählen müssen.« Ansatzlos schlug er zu, doch der Herrscher tauchte unter der Axt hinweg und nutzte den Schwung, um seinerseits einen Hieb zu führen.
Bislipur sprang fluchend nach hinten, aber der Dorn am Ende des Stiels erwischte ihn am ungeschützten Unterschenkel. Leder und Stoff rissen, Blut quoll aus dem Schnitt hervor.
»Warum hast du uns verraten?«, wollte Balendilín erneut wissen. »Weil dein Schützling nicht Großkönig wurde und es keinen Krieg gegen die Elben gab, deshalb? Warst du so versessen darauf?«
Bislipur sprang vor und attackierte ihn mit einer Serie von Ausfällen, doch Balendilín durchschaute die Finten, wich zurück und wartete aufmerksam darauf, dass der echte Angriffsschlag erfolgte. Sie hatten die breite Halle durchquert und kämpften sich einen Gang entlang, der sie auf eine Brücke führte. Darunter gähnte ein Abgrund von zwanzig Schritt Tiefe.
»Es ist mir gleich, wer auf dem Thron sitzt«, antwortete Bislipur. »Ich wollte einzig und allein, dass es zum Krieg kommt. Die Elben hätten euch vernichtet.«
Sein Schlag kam mit einer Heftigkeit, die unmöglich zu parieren war. Balendilín gelang es gerade noch, die Schneide aus der Bahn zu lenken, doch beinahe verlor er dabei seine eigene Axt.
»Ich verstehe es noch immer nicht, Bislipur. Hat Nôd’onn dich verhext, oder weshalb stellst du dich gegen deinen eigenen Stamm?«
»Meinen eigenen Stamm? Nein, die Vierten sind gewiss nicht mein Stamm. Du warst einmal so dicht dran, dass ich dachte, ich sei verraten.« Wieder durchschnitt seine Axt pfeifend die Luft. Balendilín blockte sie mit einem Gegenschlag, doch der Aufprall und die Erschütterung ließen seine Hand kraftlos werden.
»Du hast es selbst gesagt, Einarm. Ich bin zu stark und ein zu guter Krieger, als dass ich einer von den schwächlichen Vierten sein könnte.« Er schlug nochmals zu, die Finger des Königs öffneten sich, die Axt klirrte auf die Brücke. »Ich bin vom Stamm Lorimbur und werde als derjenige in die Geschichte eingehen, der den Niedergang der anderen Stämme einläutete«, grollte er finster. »Mir gelang, was keinem anderen zuvor glückte.«
Balendilín fiel ihm in den Schlagarm und fing den nächsten Hieb ab, dafür rammte ihm der Verräter mit einem Kopfstoß den Helm ins Gesicht. Mit rotem Nebel und tanzenden Sternen vor den Augen schwankte er nach hinten, das siegessichere Lachen Bislipurs in den Ohren.
»Schade, dass Tungdil ein Dritter ist, sonst könnte er sich nach seiner Rückkehr um deinen Posten bewerben. Oh, er wird weinen, wenn er die Trümmer von Ogertod sieht. Vielleicht verberge ich mich in der Nähe, um ihn und die anderen aus dem Hinterhalt zu töten. Das wäre ein Spaß.«
»Tungdil einer aus dem Stamm Lorimbur? Niemals.« Mit Mühe hielt Balendilín sich auf den Beinen.
»Ich erkenne einen der unsrigen, wenn ich ihn sehe, wir haben ein Gespür für einander. Und glaube mir, dein Thronfavorit ist einer von meinem Stamm, ein Zwergentöter, so wahr wie ich dich erschlage und zusehen werde, wie die Orks deine warmen Innereien fressen.«
»Du lügst!« Der König lehnte sich an das Geländer, seine Beine gaben nach.
Bislipur grinste bösartig und schlug zu. »Mag sein. Es kann dir egal sein.«
Die niederstoßende Axt nahm Balendilín nur mehr als huschenden Schatten wahr.
Das Geborgene Land, unter dem Königreich Tabaîn,
im Winter des 6234sten
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