Die Zwerge
aufmerksam, wo die Oger einen fahrbaren Turm errichteten, der weitaus stabiler aussah und beinahe zweihundert Schritt Höhe erreichte. »Damit werden sie ihr Ziel erreichen«, vermutete er. »Sie haben zum Schutz gegen die Brandgeschosse Ziegel vor den Streben befestigt.«
Hunderte Orks sprangen herbei und erklommen die verschiedenen Plattformen. Pfeil- und Speerkatapulte wurden geladen und feuerbereit gemacht. Die Oger vollendeten derweil ihre letzten Handgriffe und stemmten sich in die Speichen, um den Turm an den Berg zu rollen. Überall dröhnten schrille Hörner auf und gaben das Signal zu einem gemeinsamen Angriff.
»Es wird höchste Zeit«, beschloss Tungdil. »Bring Nôd’onn seine Gefangenen, Narmora.«
Sie nickte entschlossen und legte ihre Albrüstung an.
Innerhalb von wenigen Lidschlägen wurde aus der Frau eines der gefürchtetesten Wesen des Geborgenen Landes. Sie veränderte nicht nur ihre Kleidung; mit jedem Stück Rüstung, das sie anlegte, wandelte sich ihr Antlitz, es verlor an Farbe, nahm härtere und vor allem grausamere Züge an. Sie zog das rote Kopftuch ab und fuhr sich durch die schwarzen Haare. Dann erhob sie sich. »Und nun das Wichtigste«, sagte sie mit dunkler Stimme. Ihre Augen trübten sich ein, das Weiß verschwand und wich der Schwärze, durch die sich die Albae tagsüber verrieten.
Wenn ich es nicht besser wüsste. Tungdil hätte sie von einem echten Alb nicht mehr unterscheiden können, und damit sollte es ihnen gelingen, ihren Plan in die Tat umzusetzen. »Vollkommen, Narmora.«
Andôkai legte ihr das schlichte dunkelblaue Kristallamulett um, das sie in der Oase einem Alb abgenommen hatte. »Es wird dich vor den magischen Angriffen Nôd’onns bewahren«, erklärte sie. »Nur zur Sicherheit, da ich nicht weiß, ob wir getrennt werden und du dich auf eigene Faust durchschlagen musst.«
Sie lächelte die Maga an. »Wartet hier. Ich gehe und besorge den Söldnern ihre Rüstungen.« Lautlos huschte sie davon und verschwand nach wenigen Schritten aus ihrem Sichtfeld.
Tungdil bemerkte, dass Balyndis die Hände um den Griff ihrer Axt gelegt hatte. »Sie ist … unheimlich geworden«, verteidigte sie ihre unbewusste Geste. »Düster, drohend. Wie ein richtiger Alb.«
»Was machen wir, wenn ihre dunkle Seite es sich anders überlegt?«, sprach Ingrimmsch seine Bedenken offen aus. »Sie hat die Feuerklinge und die Macht, Nôd’onn zu vernichten. Mit dem Amulett ist sie auch gegen die Magie der Zauberin immun geworden. Wie sollen wir sie denn notfalls klein kriegen, wenn sie uns verrät?«
»Verrät? Niemals! Sie ist Narmora«, beruhigte Furgas sie, er klang energisch und verteidigend. »Und sie ist eine Schauspielerin. Ganz gleich, was sie unterwegs sagt und wie sie sich verhält, zweifelt nicht an ihr. Sie hätte längst genügend Möglichkeiten gehabt, uns zu …«
Narmora kehrte zurück, blutverschmierte Rüstungen einer unvorsichtigen Patrouille mit sich tragend. Sie warf ihre Beute in den Schnee. »Ihr müsst sie ein wenig abreiben«, war alles, was sie sagte.
*
Nachdem Rodario noch »einige spezielle Vorbereitungen« getroffen hatte, wie er es nannte, traten sie den gefährlichsten Weg ihrer ganzen Reise an.
Tungdil, Balyndis und Boїndil liefen in der Mitte, umgeben von den scheinbaren Söldnern, die ihre Gesichter unter den stinkenden Helmen verbargen. Narmora bildete die Spitze, die mit Lumpen umhüllte Feuerklinge auf dem Rücken tragend. Djer_n wartete auf dem Hügel und hielt sich bereit, auf ein Zeichen seiner Herrin hin zu ihnen zu stoßen und durch sein Erscheinen für Wirbel zu sorgen.
Vor allem Boїndil tat sich schwer, ohne seine geliebten Beile zu sein und dazu noch die Hände gefesselt zu haben, aber er sah ein, dass es keine andere Möglichkeit gab, an Nôd’onn heranzukommen. »Wie geht das Buch eigentlich aus?«, fiel ihm die ungemütliche Frage doch noch ein.
Rodario öffnete den Mund, aber Tungdil kam ihm zuvor. »Gut. Es geht gut aus«, behauptete er und schickte dem Schauspieler einen bittenden Blick. Der rollte mit den Augen, schwieg aber glücklicherweise.
»Umso besser«, brummte Ingrimmsch und beließ es dabei.
Ihre Waffen hatte Furgas in einem Sack verstaut und hielt ihn so, dass er ihn den Zwergen jederzeit zuwerfen konnte. Die Lederriemen um die Handgelenke der Gefangenen würden bei der geringsten Kraftaufwendung reißen und sie freigeben. Es ging einzig um den Schein.
Im Zwielicht des Nachmittags betraten sie das Lager.
Die
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