Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zwerge

Die Zwerge

Titel: Die Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
Übergang von Idoslân nach Gauragar anzeigten.
    Weil ihm die Füße brannten, beschloss er, seine Wanderung für diesen Tag zu beenden. Tungdil ging bis zu einer großen Eiche und schwang sich an ihrem Stamm hinauf; anschließend zog er sein Gepäck mit dem Seil, das er in Gutenauen erstanden hatte, nach oben.
    Sein Leben war ihm so viel wert, dass er lieber wie ein Vogel auf einem Baum schlief und sich somit den Blicken der Ungeheuer entzog. Wenn sie ihn dennoch entdeckten, würde er sich schon etwas einfallen lassen. Nachdem er sich das Tau zweimal um den Bauch und den Stamm geschlungen hatte, um nicht versehentlich abzustürzen oder von dem Baum abgeschüttelt zu werden, schloss er die Augen …
    … und träumte.
    Tungdil sah den Nordpass. Er roch den frischen, eisigen Wind, der über die Spitzen der Großen Klinge und der Drachenzunge strich, und seine Phantasie flog mit ihm – einem Adler gleich über das majestätische Graue Gebirge.
    Die Harmonie wurde jäh gestört, als scheußliches Gebrüll von den ehrwürdigen, jahrtausendealten Felsen widerhallte.
    Er blickte von oben auf die gigantische Pforte des Steinernen Torwegs hinab und sah die Schlacht, in der Giselbart am Ende mit den Clans der Fünften untergehen sollte. Äxte krachten durch Metallpanzer in Leiber und wurden hastig aus Knochen und Stahl gezogen, um wenig später in ein neues Ziel getrieben zu werden.
    Aber die Flut der Feinde endete nicht.
    Der Zwerg erschrak, als er den schier unendlichen Strom der Angreifer erblickte, der sich unaufhörlich gegen die Befestigung ergoss. Er roch das ekelhafte, grüne Blut der Orks, das den Steinboden des Wehrgangs rutschig machte, und schmeckte das ranzige Fett auf ihren Rüstungen auf seiner Zunge. Der bittere Geschmack verstärkte sich auf unerträgliche Weise, er brachte ihn zum Würgen und riss ihn aus seinem Traum.
    Tungdil öffnete die Augen und wunderte sich über die Helligkeit. Was …?
    Sie stammte von einem Dutzend Feuerstellen, die um die Eiche herum brannten. Kehliges Gelächter tönte zu ihm herauf, mischte sich mit tiefem Grunzen, gereiztem Schnauben und dröhnendem Fluchen.
    Sein Blut gefror. Die von den Söldnern begierig erwartete Orkhorde hatte ihr Nachtlager kreisförmig um den Baum errichtet und ihn gefangen gesetzt. Deshalb hatte er die Illusion von der Schlacht am Nordpass gehabt! Seine Ohren hatten die Wesen vernommen, seine Nase sie gerochen, und sein Verstand hatte daraus ein Trugbild geformt.
    Der Zwerg saß steif wie eine Statue auf seinem Ast und wünschte sich, er könnte mit dem Baum verwachsen, damit ihn keines der Ungeheuer entdeckte.
    Eines war sicher: Die Hand voll Söldner in Gutenauen würde niemals ausreichen, um diese Horde aufzuhalten.
    Die roten Lohen der Feuer schossen mehrere Lanzenlängen zum Himmel hinauf; sie warnten den nächtlichen Wanderer davor, sich dem Lager zu nähern. Für Zwerge auf Bäumen kam der Wink jedoch zu spät.
    Nach einer raschen Zählung der Kreaturen, die er von seinem Beobachtungspunkt ausmachen konnte, kam er auf einhundert Orks. Kräftige, starke, muskelbepackte Orks, die nicht aussahen, als schreckten sie vor einer Holzpalisade zurück, hinter der fette Beute wartete.
    Tungdil schaute genauer hin und rang neuerlich mit dem Bedürfnis, sich zu übergeben. Was manche Bestien über den offenen Feuern garten und mit Hingabe verspeisten, hatte die Form von menschlichen Körperteilen. An zwei eigens errichteten Kochstellen drehten sich Menschentorsi wie Brathühner am Spieß.
    Der Zwerg beherrschte sich. Es hätte die Bestien sicherlich gewundert, wenn die Eiche verdauten Brei aus ihren Zweigen ergossen hätte.
    Die zerrissenen Stofffetzen, mit denen die wenigen verletzten Orks ihre Wunden verbunden hatten, trugen die Farben des Regiments von König Tilogorn. Die Gutenauener konnten lange auf Verstärkung warten. Allem Anschein nach hatten die Soldaten Idoslâns die Kampfkraft dieser Horde unterschätzt und den Fehler mit ihrem Leben bezahlt, um anschließend als Speise in hungrigen Orkmägen zu enden.
    Was habe ich den Göttern nur getan, grübelte Tungdil, dass sie mich von einem Unglück ins nächste schicken?
    Keiner in Gutenauen ahnte etwas von dem grün- und schwarzhäutigen Unheil, das über sie hereinbrechen würde. Es lag an ihm, das Großdorf zu warnen. Das würde ihm jedoch nicht gelingen, solange die Bestien rings um ihn herumhockten; also musste er ruhig abwarten, bis sich eine Gelegenheit ergäbe, unbemerkt von der Eiche zu

Weitere Kostenlose Bücher