Die Zwerge
wenigen Sonnenumläufen bin ich in Lios Nudin.« Lot-Ionan rechnete damit, dass sich das magische Abbild des Wissbegierigen auflöste, doch es blieb.
»Ich muss dich um noch eine Sache bitten«, eröffnete ihm der Magus. »Im Vergleich zu dem Voranrücken des Toten Landes ist es eine Lappalie. Meine Utensilien … benötigst du sie noch? Ich hätte sie gern von dir zurück, und du könntest sie mir bei der Gelegenheit mitbringen.«
»Ach, ja. Ich erinnere mich.« Lot-Ionan hatte sich vor ewigen Zeiten mehrere Gegenstände von Nudin für Gorén ausgeliehen: einen kleinen Handspiegel, zwei armlange Stücke Sigurdazienholz und zwei versilberte Glaskaraffen mit seltsamen Gravuren. Gorén hatte in einem Kompendium etwas über die Gegenstände gelesen und sie untersuchen wollen. Der Magus entsann sich nicht mehr, zu welchem Ergebnis sein Famulus gekommen war, vermutlich war es ihm nicht wichtig erschienen. Auf Anhieb wusste er auch nicht, wo er die Sachen aufbewahrte. Er hoffte, dass sie nicht im Laboratorium gestanden hatten, als Tungdil dort gewütet hatte.
»Ich werde daran denken«, versicherte er dem Zauberer.
Nudin aber wollte sich nicht zufrieden geben. »Du hast sie doch noch, Lot-Ionan?« Der Magus nickte und hoffte, dass Nudin ihm sein Geflunkere nicht anmerkte. »Beeile dich, alter Freund. Die Macht der Sechs ist dringend notwendig, um das Geborgene Land vor weiteren Schrecken zu bewahren.«
Das Abbild des Mannes erhob sich, stellte sich in die Mitte des Raumes und stieß mit dem Stab fest auf den Boden. Die Illusion zerbarst funkelnd. Glitzernder Staub rieselte zu Boden, die puderige Substanz löste sich weiter auf, bis man nichts mehr von ihr sah. Die Unterredung endete so spektakulär, wie sie begonnen hatte.
Lot-Ionan verharrte in seinem Sessel. Wenn die Orks Toboribors und die Albae Dsôn Balsurs gemeinsame Sache machen, steht die Sicherheit vieler Menschen infrage.
Er würde die Reise dazu nutzen, um König Tilogorn zu besuchen und ihm seinen Beistand anzubieten. Gut die Hälfte Ionandars lag auf dem Gebiet von Idoslân, da war es nur rechtens, dass er seine Magie gegen die dunkle Brut des Gottes Tion einsetzte. Der Magus stand auf. Eile tut Not, Nudin sprach wahre Worte.
Er rief seine Famuli zusammen und gab Anweisungen, welche Gepäckstücke er benötigte und wer in seiner Abwesenheit das Sagen über die anderen Zauberschüler hatte. Dann tauschte er die gemütliche Robe schweren Herzens gegen die ungewohnten Reisegewänder, die aus schwerem beigefarbenem Stoff geschneidert waren. Darüber trug er ein Cape aus dunkelblauem Leder.
Seine Diener sattelten ihm den Fuchshengst Furo. Das wenige Gepäck fand Platz in den Satteltaschen, denn mehr als zehn Tage würde er für die fünfhundert Meilen bis zum Rat der Magi gewiss nicht benötigen.
Lot-Ionan schwang sich etwas steif in den Sattel. Furo schnaubte voller Vorfreude; der Zauberer beugte sich vor, streichelte ihm über die lange Mähne und raunte ihm eine magische Formel ins Ohr.
Der Hengst wieherte laut und tänzelte los, den Stollen entlang und durch das Tor hinaus. Sobald er die freie Natur und den Weg vor sich erkannte, beschleunigte er sein Tempo. Aus dem Trab wurde ein gestreckter Galopp. Der Körper des Fuchshengstes flog über die Steine hinweg, und mit jedem Hufschlag überwand er Längen von mehreren Schritten. Die Macht des Magus ermöglichte es ihm, schneller als jeder andere Vierbeiner zu laufen, und das genoss er sehr.
So jagte Furo mit seinem Herrn, der alle Mühe hatte, sich im Sattel zu halten, durch Ionandar und trug ihn sicher seinem Ziel entgegen.
Das Geborgene Land, das Königreich Gauragar
im Jahr des 6234sten Sonnenzyklus, Frühsommer
» I ch kenne kein Schwarzjoch, das dort liegen soll.« Schlechter als mit diesen Worten hätte der Tag wohl kaum beginnen können. Der Wirt stellte Tungdils Frühstück auf dem Tisch neben der Karte ab.
Das Tageslicht schien durch die dicken Scheiben in den Gastraum, Staub flirrte in den breiten, hellen Bahnen. Tungdil stellte voller Freude fest, dass er die Lider nicht mehr zusammenkneifen musste; seine Augen hatten sich der hellen Umgebung angepasst.
In Idoslân und dem Großdorf Gutenauen schien das Schwarzjoch nicht bekannt zu sein, und auch auf der alten Karte an der Wand war es nicht eingezeichnet.
»Weißt du jemanden, der mir behilflich sein könnte?«, versuchte er es aufs Neue. »Hat es hier einen Schreiber oder einen Beamten von Tilogorn?«
Der Wirt verneinte
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