Die Zwerge
dass du gar nicht gelernt hast, mit der Axt umzugehen«, lobte ihn Boїndil. »Aber ein Zwerg, das merke dir, wirft seine Waffe niemals, wenn er keine zweite dabei hat. Und dein Kampfstil ist noch steigerungswürdig. Ich werde dich unterweisen, wie man die Axt schwingt, Tungdil, und bald werden die Schweineschnauzen vor dir ebenso viel Angst haben wie vor mir.«
Dagegen hatte er nichts einzuwenden. »Je eher ich damit umgehen kann, desto besser.«
Boëndal stimmte abends, als sie gezwungenermaßen rasten und sich erholen mussten, eine neue Zwergenweise an, die von der alten Feindschaft der Elben und Zwerge handelte. Er verstummte, als er die Blicke Tungdils bemerkte. Ein Lied über Tod und Verderben sorgte nicht dafür, dass seine Laune sich hob.
»Was wisst ihr über meinen Stamm?«, fragte er sie.
»Die Vierten?« Boëndal kratzte sich am Bart und packte ein Stück Käse aus, um ihn wieder über dem Feuer zu rösten. »Sie haben zwölf Clans, die meisten sind kleiner, schmächtiger, ein bisschen verweichlicht. Das kommt davon, dass ihr Handwerk das Edelsteinschleifen ist.« Er musterte Tungdil. »Na, du passt. Sie haben zwar keine Gelehrten in ihren Reihen, aber sie haben ungefähr deine Statur … obwohl, nein, du bist fast schon zu kräftig. Dein Kreuz ist zu breit.« Er dachte über seine Worte nach. »Das sage ich nicht, um dich zu beleidigen. Es ist einfach so«, erklärte er freundlich. »Vraccas hat uns so gemacht, wie wir sind.«
Tungdil gab sich mit der Antwort nicht zufrieden. Sie war so allgemein, dass sie für ihn nichts Neues darstellte. »Ist das alles?«
Die Zwillinge wechselten Blicke.
»Die Zwergenreiche haben zu lange schon nichts mehr voneinander gehört«, antwortete ihm Boëndal ehrlich. »Wir wissen wenig. Warte ab, bis du sie selbst triffst. Aber ich kann dir etwas über die Zweiten berichten. Unsere siebzehn Clans sind die begnadeten Steinmetzen unter den Stämmen. Die Feste Ogertod wird dir den Atem rauben. So etwas hast du noch nie gesehen! Selbst die größte Burg der Langen kann es damit nicht aufnehmen.«
Boëndal geriet immer mehr ins Schwärmen und lobte die Pracht der steinernen Bauten, die viele andere Stämme vor Neid erblassen ließen. Tungdil hing an seinen Lippen und freute sich, die Monumente seines Volkes bald mit eigenen Augen sehen zu dürfen.
Das Geborgene Land, Lios Nudin
im Jahr des 6234sten Sonnenzyklus,
Sommer
S ie liefen Tag um Tag, um in die Hauptstadt zu kommen und vor der Versammlung der Zauberer vorzusprechen.
Zuerst hatte Boїndil darauf bestanden, dass sie aus Gründen der Sicherheit neben dem Weg liefen. Nach vier Tagen im Unterholz hatten sie genug von kratzenden Ästen, Dornenranken, die sich in ihren Kettenhemd verfingen, und störenden Zweigen, die auf unerklärliche Weise stets Tungdils Nase oder seine Augen trafen. Sie kehrten auf die staubige Straße zurück, immer darauf achtend, wer sich ihnen näherte.
Die Geschehnisse hinterließen Spuren an Tungdil, er hatte Albträume, und als er sich unterwegs über einen Bach beugte, um Wasser für seinen Trinkschlauch zu schöpfen, erschien ihm sein Gesicht älter, reifer und die braunen Augen ernster als zu Beginn seiner Wanderschaft. Das erlebte Grauen hatte ihn gezeichnet.
Da er nicht beabsichtigte, Opfer eines Orks zu werden, gab er sich bei den täglichen Kampfübungen mit Boїndil große Mühe und lernte rasch, fast zu rasch, wie ihm sein Lehrer sagte. Boëndal saß daneben, wenn sie Schläge, Paraden und Finten exerzierten, schmauchte ein Pfeifchen und betrachtete ihn sehr genau, sagte aber nichts.
Wo immer das Dreiergespann auf Menschen und Siedlungen traf, da berichtete Tungdil von den Geschehnissen im Grünhain und warnte die Menschen davor, sich nahe an die Grenze zum Toten Land zu begeben.
Untermauert wurden seine Erzählungen von den Wagenzügen der Flüchtlinge, die täglich die Straße entlangrollten und sich auf das Gebiet von Lios Nudin retteten. Die Orks waren auch an weiteren Stellen aufgetaucht, und die Menschen trauten Nudin dem Wissbegierigen eher zu, der vordringenden Macht widerstehen zu können, als König Bruron.
Gegen Nachmittag fiel Tungdil nahe einer Wegbiegung ein paar Schritte zurück; das war das Zeichen, dass er in aller Ruhe seine Notdurft verrichten wollte. Die Zwillinge schlenderten weiter.
Als Tungdil erleichtert auf die Straße zurückkehrte, gelangte er an eine Kreuzung, aber von den Zwergen entdeckte er keine Spur. Ein Schild wies ostwärts nach
Weitere Kostenlose Bücher