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Die Zwerge

Die Zwerge

Titel: Die Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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einem Kopfkissen rollte, runzelte die Stirn. »Du meinst, es ist keine List Lorimbur? Jemand hätte es auf uns abgesehen?«
    Sein Bruder schüttelte den Kopf. »Nein, du bist auf der falschen Fährte. Unser Gelehrter meint, dass man es in erster Linie auf ihn abgesehen hat, richtig?«
    »Es ist abenteuerlich, ich weiß«, räumte Tungdil seufzend ein. »Aber ihr hattet erwähnt, dass es noch einen Anwärter auf den Thron gibt.«
    Boëndal verstand seine Andeutung. »Niemals«, lehnte er strikt ab. »Ein ehrenwerter Zwerg spinnt keine Intrigen. König Gandogar Silberbart ist weit von dem entfernt, was du ihm unterstellen möchtest.«
    »Du verteidigst ihn, als käme er aus unserem Stamm«, murmelte sein Bruder ein wenig vorwurfsvoll.
    »Ich verteidige ihn, weil er ein Zwerg ist. Ein aufrichtiger Zwerg mit falschen Ansichten«, beharrte der Zwilling entschieden. »Außerdem hat der Rat erst nach unserer Abreise etwas von dir erfahren.« Er dachte nach. »Nein«, wiederholte er fest. »Das Kopfgeld ist eine Heimtücke Lorimburs. Und das ist schon schlimm genug. Alles andere wäre noch viel schlimmer. Wenn wir uns gegenseitig verrieten, bräche alles zusammen. Deshalb darf es nicht so sein.«
    Nachdenklich begaben sie sich zur Ruhe.
    Tungdil träumte wirre Sachen. Heerscharen von Orks und Albae verfolgten ihn mit Rasierseife und Messer, um ihm seinen mittlerweile ansehnlichen Bart zu schneiden. Sie schafften es tatsächlich, ihn einzuholen, niederzuringen und zu scheren. Es war ein demütigender und verstörender Anblick, im Gesicht nackt wie ein kleines Kind zu sein.
    Das weckte ihn aus seinem keinesfalls erholsamen Schlummer. Er aß von seinem Proviant und betete noch inbrünstiger als sonst zu Vraccas, damit er allen Kopfgeldjägern Gauragars entkäme und seine Aufgabe erfüllte.
    Du machst es mir nicht leicht, Vraccas. Tungdil sehnte sich nach seinem Heimatstollen und Frala, Sunja und Ikana. Fast war er so weit, dass er sich sogar mit dem Wiedersehen von Jolosin angefreundet hätte.
     
    *
     
    Das gemeinsame Wandern brachte die Zwerge einander näher. In jedem freien Augenblick nahm ihn Boїndil zur Seite und wies ihn tiefer in die Kunst des Kämpfens ein.
    »Na«, fragte ihn Boëndal eines Abends am Lagerfeuer leise, als sein Bruder eingeschlafen war. »Was hältst du von den ersten Zwergen, die dir in deinem Leben begegnet sind?«
    Tungdil grinste. »Soll ich ehrlich sein?«
    »Ich bitte darum, Gelehrter.«
    »Boїndil ist der Aufbrausendere von euch beiden. Seine Gedanken benötigen dagegen länger als seine Fäuste, bis sie in Bewegung kommen. Steht ein Entschluss fest, ist er durch nichts mehr davon abzubringen; und er tut meistens das, was ihm gerade in den Sinn fällt.«
    »Das war einfach. Und?«
    »Aus seiner Ablehnung von Orks und Elben machte er keinerlei Hehl, das Höchste für ihn ist der Kampf, in den er sich mit einem Eifer stürzt, den ich so noch niemals erlebt habe.«
    »Bei Vraccas! Du hast meinen Bruder schon gut beobachtet«, lachte der Zwilling. »Aber lass es ihn nicht hören. Und was meinst du zu mir?«, fragte er neugierig und reichte ihm eine angerauchte Pfeife.
    »Du bist etwas sanfter veranlagt, denkst schneller und lässt dich durchaus von anderen Vorschlägen überzeugen«, sagte Tungdil und nahm einen Zug. »Deine braunen Augen blicken freundlich, aber der Ausdruck in den Augen deines Bruders ist … unbeschreiblich.«
    Boëndal klatschte leise Beifall. »Nicht schlecht, Gelehrter.«
    »Wie kam es eigentlich, dass ihr beiden Krieger geworden seid?«
    »Weil wir im Umgang mit Marmor und anderem Gestein kein übergroßes Geschick aufwiesen, entschieden wir uns, die Wachmannschaften zu verstärken«, grinste er. »Unser Stamm beschützt die Hohe Pforte, wie wir unseren schluchtartigen Durchgang nennen. Der Weg beträgt eine Breite von fünfzig Schritt, die Steilhänge ragen eintausend Schritt senkrecht nach oben und neigen sich ab einer Höhe von achthundert Schritt einander zu. Nur wenn die Sonne genau senkrecht über dem Einschnitt steht, fällt Licht in die Schlucht.«
    »Dann sollte sie eher Dunkle Pforte heißen«, meinte Tungdil.
    »Bislang konnten wir die Hohe Pforte mit wenigen Zwergen gegen jede noch so große Übermacht zu verteidigen.«
    »Habt ihr Portale wie die Fünften?«
    »Nein. Unsere Ahnen hoben einen einhundert Schritt tiefen Graben auf vierzig Meter Länge aus. Auf ihrer Seite bauten sie eine dicke Festungsmauer, die mit einer mechanischen Brücke versehen ist. Die

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