Die Zwillingsschwestern
wollte sicher auch nicht abgeknallt werden«, sagte ich im Plauderton.
»Und erst Thelma! Es gefiel mir nicht, wie Sie sie im hohen Grase liegenließen,
Jonathan. Die Art, wie Sie ihr das Genick brachen und ihr den Hals umdrehten,
gefiel mir ganz und gar nicht. Wenn ich zwischen Ihnen beiden zu wählen hätte,
würde ich mich für Nachrichten-Johnny entscheiden — der geht wenigstens ein
gewisses Risiko ein. Aber Sie sitzen herum mit einer technischen Höchstleistung
in der Hand, wie diese Winchester hier, und halten steh für einen wahren
Teufelskerl von Mann, weil Sie wilde Tiere auf zweihundert Meter Entfernung
abschießen können, ohne sich das Hemd schmutzig zu machen.« Ich stieß ihm den
Lauf noch einmal ins Kreuz. »Zum Teufel«, sagte ich. »Hoffentlich lebt
Nachrichten-Johnny noch. Zum ersten Male in Ihrem Leben gehen Sie auf eine
Pirsch, die mit einem Risiko verbunden ist.«
Langsam
gingen wir in die Schlucht hinein. Als wir den Eingang des Seitencanyons
erreichten, blieb Blake stehen. »Ich sage Ihnen, das ist heller Wahnsinn!«
sträubte er sich. »Er kann irgendwo da drinnen lauern, vielleicht ist er nur
noch zehn Meter von uns entfernt, und wir werden ihn erst bemerken, wenn es zu
spät ist!«
»Was
haben Sie denn, Jonathan?« fragte ich höflich. »Angst?«
»Es
gibt einen Unterschied zwischen Mut und Idiotie!« antwortete er bissig. »Das
Risiko ist zu groß.«
»Immer
noch kleiner als das von Howard und Thelma Davis«, sagte ich. »Los, wir können
Nachrichten-Johnny nicht liegenlassen.«
Er
wischte sich mit dem einen Zipfel des Handtuchs den Schweiß vom Gesicht. »Wenn
Sie sich widersetzen, Blake«, sagte ich, »mache ich von der Waffe Gebrauch.«
Drei
Sekunden lang stand er bewegungslos da, dann ging er langsam weiter, in den
Seitencanyon hinein. »Nachrichten-Johnny!« rief ich dreimal laut
hintereinander. Keine Antwort. Fünfzig Meter hatten wir ungefähr zurückgelegt,
als es passierte. Plötzlich peitschte der scharfe Knall eines Gewehrschusses
auf, Blake stieß einen spitzen Schrei aus und stürzte vornüber. Das Gewehr klapperte
auf den Felsen, als es seinen Händen entglitt. Einen Augenblick stand ich da
und kam mir vor, als wäre ich drei Meter groß und drei Meter breit. Dann ließ
ich mich neben Blake auf die Knie fallen.
Er hob
das schmerzverzerrte Gesicht und schaute mich mit haßerfüllten Augen an. »Sie
Idiot«, sagte er leise und griff sich an den Hals; »ich kann nicht mehr gehen!«
Dann fiel sein Kopf zurück. Ein Strom hellroten Blutes sickerte unter seinem
Hals hervor.
Ein
zweiter Schuß brach sich an den Canyonwänden, und kleine Felssplitter flogen
mir ins Gesicht. Die Kugel war fast bei meinen Füßen eingeschlagen.
»Wheeler!«
schrie eine rauhe Stimme, »ich liege nur fünfzig Meter von Ihnen entfernt. Ich
ziele auf Ihren Kopf. Tun Sie jetzt, was ich befehle, oder Sie bekommen die
nächste Kugel mitten zwischen die Augen!«
Ich
glaube nicht, daß er nur bluffte; der letzte Schuß war eine Warnung gewesen,
die man nicht mißachten durfte. »Was wollen Sie?« rief ich.
»Gehen
Sie geradeaus weiter, bis ich Ihnen sage, daß Sie stehenbleiben sollen«, befahl
er. »Bringen Sie Blakes Gewehr mit und halten Sie es am Lauf mit Ihrer linken
Hand. Ihren Revolver halten Sie mit der Rechten am Lauf.«
»Okay«,
sagte ich.
Ich
packte die Winchester beim Lauf und hielt auch meinen Revolver am Lauf. Dann
begann ich, vorwärts zu gehen. Es waren die längsten fünfzig Meter, die ich in
meinem Leben jemals zurückgelegt hatte.
»Okay«,
sagte eine undeutliche Stimme fast direkt zu meinen Füßen. »Bleiben Sie
stehen.«
Ich
blieb stehen und blickte nach unten. Nachrichten-Johnny lag hinter einem
keilförmigen Felsblock, das Gewehr vor sich. Sein Gesicht war feuerrot wie ein
Ziegelstein und schien eigene Wärme auszustrahlen. Seine Augen waren nur noch
Schlitze in der aufgedunsenen, geschwollenen Haut. Die trockenen, aufgesprungenen
Lippen öffneten sich geringfügig. »Werfen Sie Blakes Gewehr so weit Sie können
in die Schlucht hinein«, sagte er, und seine Stimme war nur noch ein trockenes Wispern.
Er wartete, bis das Gewehr etwa dreißig Meter weiter hinten aufschlug und zwischen
den Felsen verschwand.
»Nehmen
Sie die Patronen aus Ihrem Achtunddreißiger und werfen Sie sie ebenfalls fort«,
befahl er dann. »Vergessen Sie ja keine, ich zähle mit.« Und wieder tat ich wie
befohlen — denn die ganze Zeit war der Lauf seines Gewehres auf meine
Weitere Kostenlose Bücher