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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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Rot ist unten.«
    Alicia stemmte die Luke im Kabinendach auf, und sie ließen sich hinunterfallen. Die Aufzugtür stand offen. Dahinter spürte man einen unermesslichen Raum; es war, als ständen sie im Eingang zu einer Kathedrale. Die Luft war feucht und kalt und hatte einen starken, leicht harnsauren Erdgeruch. Sie schwenkten die Scheinwerfer auf ihren Gewehren von einer Seite zur anderen, und die Lichtstrahlen bohrten sich ins endlose Schwarz. Ringsumher sahen sie seltsame, organisch anmutende Steinformationen, als wären die Wände aus zerdrücktem Fleisch.
    » Verdammt, sieh dir das an«, sagte Alicia.
    Sie hatte ihre Brille abgenommen; sie war jetzt in ihrem Element, in einer Zone permanenter Dunkelheit. Im Schein der Leuchtstofflampen kniete sie nieder und nahm zwei Gegenstände aus ihrem Rucksack. Der Erste war der Sprengsatz– acht Stangen hochexplosiver Plastiksprengstoff mit einem mechanischen Timer. Vorsichtig legte sie ihn auf den Boden. Der Zweite war der Radiokompass, ein kleines, kastenförmiges Ding mit einer Richtantenne und einer Skala, die ein ankommendes Signal von 1432Megahertz anzeigen konnte. Sie schaltete es ein, trat aus dem Aufzug und schwenkte den Radiokompass vor sich. Er begann einen leisen, aber regelmäßigen Piepton von sich zu geben. Es klang wie ein Pulsschlag, und die Anzeige erwachte zuckend zum Leben.
    » Hab ich dich.«
    Peter funkte nach oben: Das Zielobjekt war anwesend. Er hatte keinen Anlass gehabt, an Alicias Behauptung zu zweifeln. Irgendwo in diesen unermesslichen Höhlen lauerte Julio Martínez, der Zehnte der Zwölf.
    » Dodd soll sich bereithalten und auf mein Signal warten«, gab Peter an Henneman durch.
    » Verstanden. Augen überall, Lieutenant.«
    Es war so weit. Ein letzter, bedeutungsschwerer Blick ging zwischen Peter und Alicia hin und her. Hier waren sie wieder, sie beide, am Rande des Abgrunds. Es in Worte zu fassen war überflüssig; alles war gesagt. Keiner der beiden konnte ohne den anderen existieren, aber die Distanz zwischen ihnen war unüberbrückbar. Sie waren, was sie waren: Soldaten im Krieg. Dieses Band war stärker als jedes andere bis auf eines, bis auf das eine, das sie nicht haben konnten. Alicia trug wie immer die gekreuzten Patronengurte, die ihr Markenzeichen waren, die Armbrust hatte sie allerdings gegen ein M-4-Gewehr eingetauscht, und unter dem Lauf saß die dicke Röhre eines Granatwerfers. Martínez hatte keine Gnade von ihr zu erwarten, keinen letzten Segen.
    » Bis gleich.«
    Sie verschwand in der Dunkelheit.
    Vor der Höhle hatten Satch Dodd und sein Team in der untersten Reihe der Tribüne eine Feuerlinie gebildet. Der Himmel über ihnen war merklich dunkler geworden, und seine Farben wurden satter, als der Tag in die Nacht hinüberfloss. Dodd hielt den Zünder in der Hand. Sein Signal würde an den Empfänger auf dem Grund der Höhle geleitet und dort einen simplen elektrischen Schaltkreis schließen, sodass ein Stromstoß durch den Draht zur Bombe fahren würde.
    Selbst in dieser Entfernung würde es verdammt laut krachen.
    Er konnte es seinen Männern nicht zeigen, aber der Ausflug auf den Grund der Höhle hatte ihn aus der Fassung gebracht. Einen solchen Ort hatte Dodd im ganzen Leben noch nicht gesehen– eine unirdische Welt aus fremdartigen Formen, seltsamen Farben und verzerrten Dimensionen, dunkle Ecken, wohin er auch schaute, die sich spiralförmig ins Nichts versenkten. Der Weg durch den Tunnel war ihm vorgekommen, als krieche er in sein eigenes Grab. Im Waisenhaus hatte Dodd von der Hölle gehört, einem Reich der ewigen Finsternis, in dem die Seelen der Verdammten sich für alle Zeit in Qualen wanden. Diese Vorstellung hatte ihn zwar anfangs erschreckt, doch schon da war sie ihm zugleich irgendwie unglaubhaft erschienen. Obwohl er noch ein Junge war, hatte er gespürt, dass die Hölle eine Geschichte war, die sich die Schwestern ausgedacht hatten, um die Kinder zu disziplinieren, ganz wie die Fabeln, die sie den Kindern vorlasen, um ihnen einfache moralische Lehren zu erteilen. Dodds Status als jüngster Überlebender des Massakers auf dem Feld hatte ihm einen etwas höheren Rang unter den Kindern verschafft, als habe dieses Erlebnis ihn irgendwie weise gemacht. Natürlich war dies völlig unangebracht– er konnte sich weder an seine Eltern noch an jenen Tag erinnern und empfand auch keinerlei Trauer–, aber im Bann der Bewunderung, die seine Spielkameraden ihm für sein Schicksal zollten, hatte Dodd sich selbst für

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