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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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einen Jungen mit besonderen Wahrnehmungsfähigkeiten gehalten, zumal wenn es um die mystischen Offenbarungen der Schwestern ging. Gott– okay, mit ihm hatte Dodd keine Probleme, er leuchtete irgendwie ein. Auch die Sache mit dem Himmel, schließlich kostete es ihn nichts, daran zu glauben. Aber weiter ging er nicht: Die Hölle war blanker Unsinn.
    Als er jetzt jedoch mit dem Zünder in der Hand am Höhleneingang stand, war er nicht mehr so sicher.
    Das Warten war niemals leicht. Wenn das Schießen anfing, setzte immer ein Gefühl der Klarheit ein. Man würde sterben oder nicht, man würde töten oder getötet werden– es war das eine oder das andere und nichts dazwischen. Man wusste, wo man stand, und in solchen gewalttätigen, das Herz zum Rasen bringenden Augenblicken fühlte Dodd sich von einer Adrenalinwoge getragen, die buchstäblich alles auslöschte, was auch nur halbwegs zu seiner Persönlichkeit gehörte. Man konnte sagen, dass der als Satch Dodd bekannte Mann sogar für sich selbst aufhörte zu existieren, und wenn der Staub sich gelegt hatte und er immer noch stand, erlebte er seine rohe Existenz wie einen Rausch, als sei er von einer Kanone in die Welt zurückgeschossen worden.
    Aber beim Warten erlebte man zu viel von sich selbst. Erinnerungen, Zweifel, Reue, Ängste, das ganze Spektrum an Möglichkeiten, das die Zukunft enthielt– das alles brodelte im Kopf wie eine Suppe. Zur Hälfte konzentrierten sich seine Gedanken auf die Situation, in der er sich befand– auf den Zünder in seiner Hand, die Männer um ihn herum, das Walkie-Talkie an seiner Schulter, durch das Hennemans Befehl zum Sprengen der Höhle kommen würde–, aber die andere Hälfte schwirrte durch die Kammern seines privaten Ichs und schien den Mann, der er war, zugleich aus einigem Abstand zu beobachten. Erst wenn Hennemans Befehl zum Detonieren der Bombe käme, würde dieses Gefühl, eine Art psychische Übelkeit, die den ganzen Körper erfasste, wieder nachlassen und seine Handlungsfähigkeit zurückkehren.
    Die Stimme des Majors kam knisternd aus dem Radio: » Team Blau, Augen überall. Donadio geht jetzt rein.«
    Etwas straffte sich in ihm, und er spürte, wie er wieder ganz bei der Sache war. » Verstanden.«
    Es konnte nicht schnell genug passieren.
    Zweihundert Meter unter ihnen, in den lichtlosen Höhlen, die zurückgeblieben waren, als sulfidreiches Wasser durch die porösen Kalksteinablagerungen eines uralten Riffs nach oben gedrungen war, bewegte Alicia Donadio sich auf das Signal zu. Dass dieses Signal von dem Chip kam, den man Julio Martínez in den Nacken eingepflanzt hatte, daran hatte sie keinen Zweifel. Der Mann war einer von zwölf Todeszelleninsassen gewesen, die mit dem von Projekt NOAH geschaffenen CV -Virus infiziert worden waren.
    Louise, dachte sie, Louise.
    Als sie unten in der Höhle angekommen waren, hatte dieser Name von ihren Gedanken Besitz ergriffen. Sie zweifelte nicht daran, wer diese Person war. Den Unterlagen zufolge, die sie auf dem NOAH -Gelände geborgen hatten, war Martínez wegen Mordes an einem Polizisten zum Tode verurteilt worden, von Vergewaltigung und Ermordung einer Frau war nirgendwo die Rede gewesen. Doch vielleicht war ihr Tod nicht aktenkundig, oder man hatte Martínez nie damit in Zusammenhang gebracht. Der Mord an dem Polizisten war auch da– aufblitzende Gewalt, ein weißglühender Funke–, aber in jedem der Zwölf lag eine einzigartige Geschichte, und diese Geschichte war das wahre Wesen, der Kern dessen, wer sie waren. Bei Martínez hieß diese Geschichte Louise.
    Auf der Karte hatte sie gesehen, dass zwei Tunnel vom Aufzug zu verschiedenen Höhlen führten, deren Namen ihre Pracht ahnen ließen. Königspalast. Halle der Riesen. Gemach der Königin. Und ganz schlicht: der Große Saal. Um auf einer Sichtlinie mit Peter zu bleiben und damit den Funkkontakt zur Oberfläche zu erhalten, konnte Alicia nicht weiter als bis zu den Abzweigen am Ende jedes Ganges gehen. Dahinter wäre sie auf sich allein gestellt.
    Königspalast, dachte sie. Irgendwie klang das nach ihm.
    » Ich gehe nach links.«
    Als sie weiter den Gang hinunterging, machte die Nadel auf dem Radiokompass einen Satz, und der Piepton wurde schneller. Sie hatte richtig vermutet. Die Wände ringsum rückten zusammen. Scherben irgendeiner glänzenden Substanz steckten in ihrer Oberfläche und funkelten im tastenden Lichtstrahl ihres Gewehrs. Hier waren Virals, eine große Horde, ein vergrabener Schatz, und Martínez hatte

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