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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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weiter nach unten wandern. Das Wasser traf, wanderte weiter und kehrte zurück. Sie konnten nicht fliehen, sich nicht verstecken, sie mussten es ertragen.
    Es hörte auf.
    » Alles aufstehen.«
    Nackt und frierend wurden sie wieder hinausgeführt. Das Wasser lief ihnen über die Gesichter, tropfte aus den Haaren, und ihre Haut kräuselte sich, als es an der Luft langsam trocknete. Ein einzelner Holzstuhl stand mitten auf dem Platz. Ein Wärter, untersetzt und mit einer Schweinsnase, stand daneben und strich träge mit einem Rasiermesser an einem Lederriemen auf und ab. Vier weitere kamen dazu, jeder mit einem großen Plastikbottich.
    » Anziehen.«
    Man warf ihnen Kleidungsstücke zu– weite Hosen mit Durchziehbund, langärmelige Kittel, die weit über die Hüften hingen, alles aus rauer Wolle mit einem scharfen chemischen Geruch–, und dann kamen bunt zusammengewürfelte Schuhe: Turnschuhe, Plastiksandalen, Stiefel mit klaffenden Sohlen. Saras Füße ertranken in einem Paar ledernen Schnürschuhen.
    » Du da, vortreten.«
    Der Mann mit dem Rasiermesser zeigte auf Sara. Die anderen Frauen um sie herum wichen zurück. Es hatte etwas Illoyales, aber Sara konnte es ihnen kaum verdenken. Sie hätte sich vielleicht genauso verhalten. Von unheilvollen Ahnungen erfüllt, ging sie zu dem Stuhl und setzte sich. Sie saß den anderen Frauen gegenüber, und was immer passieren würde, sie würde es zuerst in ihren Augen sehen. Der Mann schlang ihr Haar um seine Faust und zog es straff. Ein einziger Schnitt, und es war fort. Er fing an, planlos an den Resten herumzuschneiden, und säbelte sie dicht über der Kopfhaut ab, ohne sich an ein Muster zu halten. Es war, als hacke er sich einen Weg durch einen Wald frei. Saras Haare wehten wie goldene Fäden zu ihren Füßen auf den Boden.
    » Stell dich wieder zu den andern.«
    Sie kehrte zu der Gruppe zurück. Als sie ihren Kopf berührte, waren ihre Finger klebrig von Blut. Sie betrachtete es und befühlte seine Beschaffenheit mit den Fingerspitzen, denn es schien etwas zu bedeuten. Das ist mein Blut, dachte Sara. Weil es mein Blut ist, bedeutet es, dass ich lebe.
    Auf dem Stuhl saß jetzt die zweite Frau. Sie hieß Caroline, konnte Sara sich entfernt erinnern. Sie war ihr kurz auf der Krankenstation in der Garnison Roswell begegnet, und wie Sara war sie Krankenschwester, ein großes, stämmiges Mädchen, das Gesundheit, gute Laune und Kompetenz ausstrahlte. Sie weinte in ihre Hände, als der Friseur anfing zu säbeln.
    Eine nach der anderen wurden sie geschoren. Haar bedeutete so viel, erkannte Sara. Halb kahl und entstellt, wie sie waren, hatte man ihnen etwas Privates gestohlen und sie zu einem ununterscheidbaren Kollektiv verschmolzen wie Tiere in einer Herde. Vor Hunger war ihr so schwindelig, dass sie wahrscheinlich nicht mehr lange würde stehen können. Keine von ihnen hatte einen Bissen zu essen bekommen. Zweifellos wollte man sie auf diese Weise fügsam machen, und wenn man ihnen schließlich etwas gäbe, würden sie ihren Wärtern fast dankbar sein.
    Nach dem Haareschneiden befahl man ihnen, über den Sammelplatz in eine andere Baracke zu gehen und sich dort, wie man es nannte, » registrieren« zu lassen. Man dirigierte sie in einer Schlange zu einem langen Tisch. Einer der Bewacher, der den Eindruck machte, er sei hier der Verantwortliche, saß mit gereizter Miene dahinter. Immer wenn die Nächste aufgerufen wurde, schob er ein neues Blatt in sein Clipboard.
    » Name?«
    » Sara Fisher.«
    » Alter?«
    » Einundzwanzig.«
    Er musterte sie von oben bis unten. » Kannst du lesen?«
    » Ich kann lesen. Ja.«
    » Besondere Fähigkeiten?«
    Sie zögerte. » Ich kann reiten.«
    » Reiten?«
    » Pferde.«
    Er verdrehte die Augen. » Irgendwas Nützliches?«
    » Ich weiß nicht.« Sie überlegte, was ungefährlich wäre. » Nähen?«
    Er gähnte. Seine Zähne waren so schlecht, dass es aussah, als wackelten sie im Mund. Er kritzelte etwas auf sein Clipboard und riss die untere Hälfte des Blattes ab. Aus einer Kiste unter dem Tisch nahm er eine schäbige Wolldecke, einen Blechteller, einen verbeulten Becher und einen Löffel. Er legte das Blatt auf die Sachen und reichte sie ihr herüber. Sara warf rasch einen Blick auf den Zettel: Ihr Name und eine fünfstellige Zahl, » Baracke 216« und schließlich » Biodiesel 3«. Die Handschrift war klobig wie die eines Kindes.
    » Nächste!«
    Ein Wachmann nahm sie beim Arm und führte sie durch einen Gang mit verschlossenen Türen zu

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